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Cannes 2012 Reality / Matteo Garrone

Die Wirklichkeit verliert, der Wettbewerb gewinnt

Cannes. Schein oder Sein – das ist vor allem in Cannes immer eine Frage, die sich aufdrängt beim frenetischen Jubel für sehr viele, sehr schöne Menschen. Womit haben die sich das verdient, fragt der protestantische Geist und staunt über italienische Begeisterung für einen Big Brother-Sieger im Wettbewerbsfilm „Reality“. Enzo ist dort und auch in der echten Realität eine Berühmtheit. Die ganze, große Familie des neapolitanischen Fischverkäufers Luciano bewundert ihn, findet aber auch, dass Papa, der nebenbei Geld mit Clownereien auf Hochzeiten verdient, selber in den Container sollte. Als er zum Casting nach Rom eingeladen wird, jubelt nicht nur das Viertel bei seiner Rückkehr. Auch der energische, junge Mann dreht völlig ab, vermutet überall Beobachter von der Produktion und verkauft schon mal sein Geschäft. Nur der gläubige  Angestellte und Freund Michelle bleibt auf dem Boden und meint, wir werden alle beobachtet – Gott sieht uns. Das ist nur ein raffinierter Twist von vielen, mit denen Matteo Garrone seiner exzellent gespielten Komödie Tiefgang gibt. Sie spielt tatsächlich auf mehreren Ebenen, nicht erst wenn am Ende die Kamera wieder in den Himmel geht und zum Auge Gottes wird. Garrones Vorgänger „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ gewann 2008 den Großen Preis der Jury in Cannes und sahnte danach auch bei den Europäischen Filmpreisen mächtig ab. (ghj)

 


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