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Pina – erste Sensation der Berlinale

Deutscher Dreiklang

Gleich drei deutsche Produktionen im Wettbewerb in und außer Konkurrenz – die Berlinale nicht als Fenster zur Welt, sondern als Schaufenster nationalen Filmschaffens, hatte am Wochenende Tag der offenen Tür. Einmal Türkisch für Anfänger im Kino, dann gekonntes Autorenkino „Out of Africa” und ein künstlerisches wie technisches Highlight mit Wim Wenders 3D-Tanzfilm „Pina”.

Wenders wendet wieder Filmgeschichte

„Pina” von Wim Wenders, der am meisten erwartete Film dieser Berlinale erwies sich als die erahnte Sensation. Ein Monument außerhalb des Wettbewerbes, das Grenzen der Wahrnehmung verschiebt und die Zukunft des 3D-Kinos ausleuchtet, während es auf das Schaffen der Tanzlegende Pina Bauch zurück blickt.

Der Düsseldorfer Cannes-Sieger („Paris, Texas”) wollte schon seit Jahrzehnten mit der Tanzlegende Pina Bausch aus seiner Heimatstadt einen Film drehen. Erst mit dem neuen 3D-Verfahren jedoch konnte er seine Visionen umsetzen, aber ganz wenige Tage von dem ersten Testdreh verstarb Pina Bausch plötzlich. Doch mit dem festen Ensemble sowie einem Senioren- und einer Junioren-Truppe setzte Wenders das Projekt fort. Pina Bausch lebt so in ihren Choreografien und diesen Bildern weiter.

Genre- und grenzüberschreitend setzt „Pina” neue Maßstäbe für den Tanz- und 3D-Film. Schon die ersten Szenen einer Aufführung von „Le Sacre du Printemps” sind überwältigend und grenzüberschreitend. Der Tanzfilm erhebt sich auch der erdigen Fläche in atemberaubende Höhen der Kunst. Die verschwitzten, verdreckten Körper sah man nie zuvor in dieser Genauigkeit. Der Tanzraum wurde noch nie so intensiv erlebt.

Wie schon mit „Hammett”, bei dem Wenders Coppolas elektronisches Studio ausprobierte, und bei „Buena Vista Social Club”, seinem ersten hochauflösenden digitalen Film, war der Technologie-Sprung enorm. Wenders hat – wie auch James Cameron mit „Avatar” – warten müssen, bis die Technik reif war. Wie rasant die 3D-Möglichkeiten sich entwickelten, sieht man daran, dass in der ersten Drehphase noch ein Kran-Ungetüm auf der auf der Bühne des Wuppertaler Opernhauses die zwei Kameras halten musste. „Café Müller”, „Le Sacre du printemps” und „Vollmond” waren die Stücke dabei. Bei späteren Außenszenen, die Soli mit einzelnen Tänzern zeigen, gab es eine bewegliche Steadycam, die erst ein wirkliches Duett zwischen Apparatur und Tänzer erlaubte.

Seh(n)sucht Afrika

In der Konkurrenz um die Goldenen Bären war bei Ulrich Köhlers „Schlafkrankheit” keine Müdigkeit im Publikum zu erkennen. Der 1969 in Marburg/Lahn geborene Regisseur lebte 1974-79 mit seiner Familie in Zaire, heute Kongo. Nach seinem Spielfilmdebüt „Bungalow” (2002) kehrt er mit einer überraschenden Geschichte nach Afrika zurück: Die erste Hälfte der „Schlafkrankheit” wirkt wie eine dieser gerade wieder modernen Ausbreitungen von Innerlichkeit auf der Leinwand. Diesmal mit dem dekorativen Hintergrund Afrika. Oder versucht sich hier jemand an die Dickschiffe belgischer und französischer Kolonialgeschichten ranzuhängen? Doch eine raffinierte Ellipse mit Perspektivenwechseln irgendwo in der Mitte, enttarnt eine sehr reizvolle Psycho-Story in der Tradition von Joseph Conrads „Heart of Darkness”. Wie einst Colonel Kurtz in „Apocalypse Now” sich in Captain Benjamin L. Willard das eigene Exekutionskommando bestellte, holt sich der flämische Dr. Ebbo Velten jemanden von der Weltgesundheitsorganisation zur Evolution seiner sinnlosen Impfprojekte, weil er aus eigener Kraft nicht mehr von Afrika loskommt. Der anfängliche Besuch seiner Tochter, die zwei Jahre lang in einem Internat war, kann nachträglich auch als Befreiungsversuch gesehen werden. Der jedoch scheiterte: Velter ließ Frau und Tochter nach Deutschland vor-fliegen und blieb selbst in der völlig leer geräumten Wohnung für den Leiter mehrerer Kliniken. Das Ende greift eine mythische Geschichte um ein Flusspferd wieder auf und erinnert an den thailändischen Cannes-Sieger „Onkel Boonmee”. Das allein wird allerdings noch keinen Preis in Berlin bringen.

Türkisch für Anfänger im Kino

Das Leben des Ein-Millionen-Ersten Gastarbeiters wird in „Almanya – Willkommen in Deutschland” erzählt – wortwörtlich. 1964 kommt Hüseyin nach Deutschland, um sein Familie im fernen Anatolien zu ernähren. Ein wechselhaftes Leben – von dem wir nicht viel erfahren – später hat er eine große Familie und überrascht diese mit der Nachricht, er habe ein Haus in „der Heimat” gekauft. Die Kinder und Enkel sollen alle zusammen in die Türkei um es aufzumöbeln. Während der Reise erzählt die Enkelin dem noch jüngeren Neffen eben diese Geschichte mit vielen Scherzen und eine witzigen Clou: Alle Türken reden deutsch und die Deutschen irgendein unverständliches Kauderwelsch. Hier endet auch schon die Festivalgeschichte dieses Films, der im Ausland doppelt unverstanden bleiben wird, weil man nicht versteht, dass man etwas nicht versteht. Somit ist „Almanya”, das Gemeinschafts-Produkt der Schwestern Samdereli, generell im Wettbewerb fehlplaziert. Dass die harmlose Wohlfühl-Komödie keine größeren Probleme, aber auch nur wenige große Momente und Bilder hat, also generell eher ins Fernsehen gehört, spielt dann eher am Rande eine Rolle.


Ein FILMtabs.de Artikel