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Brüno

USA 2009 (Brüno) Regie: Dan Mazer mit Sacha Baron Cohen, Gustaf Hammarsten, Clifford Banagale, Bono, Elton John, Snoop Dogg, Sting 83 Min.

Revenge of the Ãœmlaut

Das satirische Gesamtkunstwerk Sacha Baron Cohen geht in seinem dritten Kinofilm nach „Ali G in da House“ und „Borat“ wieder dahin, wo es weh tut. Das Fremdschämen konkurriert heftig mit dem Lachmuskelkater, Provokation beißt sich mit Slapstick. Sacha Baron Cohen bleibt ein Unikat und sein Humor lässt sich schwer einordnen. Ist es die pure Lust am Entblößen – seiner Genitalien und der Vorurteile seiner Opfer – oder steckt ein humanistischer Plan hinter der frechen Nummernrevue?

Der Wiener TV-Star Brüno, nach eigener Aussage der größte österreichische Star seit Hitler, macht sich nach einem selbst verschuldeten Karriereknick auf den Weg nach L.A., um dort ein Superstar zu werden. Die Suche nach Ruhm führt ihn zu zwei amerikanischen Dummchen, die ernsthaft professionell beraten sollen, welcher Guten Sache man sich am Besten für seine Karriere annimmt: Klimakrise, ausgestorbene Tiere oder doch „Dafor“ (sic!)? Ihre sich vor Unwissenheit windenden Sätze sind ebenso atemberaubend wie Brünos folgender Versuch, Frieden in Mittelerde zu schaffen. Das ist das Gebiet zwischen Israel und dem Land von „König Obama“, dort wo der Humus regiert! In einer weiteren unfassbaren Szene singt Brüno ein bescheuertes Friedenslied zwischen einem israelischen Politiker und einem Vertreter der Palästinenser, wobei den völlig perplexen Herren vor lauter Staunen nichts anderes bleibt, als mitzumachen. Das ist vielleicht die erstaunlichste Erkenntnis des Films, interessanter als die mutigen, aber billigen Provokationen, die auch ein Pocher mal in einer Sternstunde hinbekommt: Was machen diese Menschen alles mit, wenn nur eine Kamera dabei ist!? Und falls sie es tatsächlich wegen der berühmten 15 Minuten Berühmtheit machen, wird dieser Film sogar fast rund, denn darum geht es ja auch Brüno!

Nach einem Abstecher nach Nairobi taucht die hinternwackelnde Provokation mit einem schwarzen Adoptivkind in Los Angeles auf. Das wird im Karton geliefert. Inhuman? Sind doch Luftlöcher drin! Der süße Kleine dient nun als Provokateur in einer Talkshow voller schwarzer Zuschauer, sorry: Afroamerikaner. Brüno erzählt ihnen, dass auch im „Land Afrika“ viele Afroamerikaner leben.

Problematisch bleibt vor allem die Handlung, die um die Sketche herum gestrickt wird. Richtig entblößend waren schon die Nummern aus der „Ali G-Show“. Weniger dicht mussten zwangsläufig die aus diesem Ruhm entstandenen Filme werden: „Ali G in da House“, am rundesten noch „Borat“ und nun „Brüno“, die Satire-Odyssee durch die Medienwelt, auf der Cohen auch viele Facetten der Homophobie aufsammelt. Denn ein exaltiertes Schwulsein ist zweites Thema des Films und Garant für heftige Gegenreaktionen. Brüno stößt vor ins Herz der Dunkelheit (und das ist jetzt keine Zote!) wenn im Finale die ultra-beschränkten Fans eines ultrabrutalen Kampfspektakels erst auf Heterosexualität eingeschworen und dann mit einem schwulen Knutschgemenge konfrontiert werden, fliegen Stühle statt Fäuste. Alles wird bis zum sprechenden Penis fast ohne Zensurbalken gezeigt.

Aber weshalb ist „Brüno“ nicht so komisch wie „Borat“? Das Konzept blieb das Gleiche: Cohen tritt als etwas seltsamer Vertreter der Medienwelt auf und interviewt unwissende Opfer. Einem christlichen Schwulen-Bekehrer erzählt er nebenbei, Gott hätte diesem perfekte Lippen für einen Blow-Job geschenkt, Kampf-Lehrer attackiert er mit Riesen-Dildos, knallharte Militär-Ausbilder werden für ihre sanfte Haut belobigt. Bei einem männlichen Medium sucht Brüno Rat und als dieser Kontakt mit Milly von Milly Vanilli aufgenommen hat, bläst Brüno dem falschen Schlagerstar pantomimisch einen – in allen Details. Spätestens jetzt wird sich der Wahrsager gut überlegen, noch einmal mit dem Jenseits in Kontakt zu treten.

Die Kreation von Brüno ist gelungen: Man nimmt Cohen durchgehend den Brüno ab. Aber man fragt sich dauernd „Das darf doch nicht wahr sein?“ Und da nicht wie bei „Borat“ der Kameramann öfters mit in die Handlung einbezogen wird, begleitet die Frage „Inszenierung oder wahrhaft unglaubliche Intoleranz?“ den Spaß. Die Medien bekommen ebenso ihr Fett weg, wie Mütter, die ihre kleinen Kinder für ein Casting problemlos kreuzigen lassen. In der Schluss-Parodie eines Live-Aid-Songs machen tatsächlich Bono, Sting und sogar Elton John mit. Was tut man nicht alles für den Ruhm!


Ein FILMtabs.de Artikel