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Glaubensfrage

USA 2008 (Doubt) Regie: John Patrick Shanley mit Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Viola Davis, Alice Drummond 104 Min. FSK ab 6
Moralstück
Die Rollen scheinen klar verteilt für die junge Schwester James (Amy Adams), die Anfang der Sechziger Jahre an die Klosterschule St. Nicholas kommt. Die konservative alte Nonne Aloysius Beauvier (Meryl Streep) sorgt mit schonungsloser Härte für Ordnung an der Schule, während es der Lebemann Pater Flynn (Philip Seymour Hoffman) nicht so genau mit der Einhaltung des asketischen Lebensstils nimmt. Wenn die Frauen gebeugt über ihrem Abendmahl sitzen, wird am Tisch der Männer gescherzt und fürstlich gespeist. Schwester James kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Schüler und kommt wie alle zunächst nicht mit der Oberin klar, die ein strenges Auge auf ihre Novizin wirft. Doch als sie etwas Ungewöhnliches in Flynns Verhalten bemerkt, wendet sie sich an ihre Vorgesetzte. Es scheint, als hege der Pater eine spezielle Zuneigung zu Donald Miller, dem einzigen schwarzen Schüler in ihrer Klasse. Die Indizien weisen darauf hin, dass sich Flynn an dem Jungen sexuell vergangen hat. Fortan benutzt Beauvier die junge Frau dazu, dem Pater zu einem Geständnis zu zwingen. Doch es bleiben Zweifel an der Schuld des Angeklagten.
Sexueller Missbrauch in Kirchenkreisen ist stets ein heikles Thema. Welche Schwierigkeiten sich hinter der Entlarvung eines Triebtäters in einer Institution stellen, die sich der weltlichen Gerechtigkeit mit allen Mitteln entzieht, zeigt John Patrick Shanley in seinem preisgekrönten Theaterstück auf. Der Zweifel (so auch der Originaltitel) sitzt tief und auf vielerlei Ebenen. Zweifel an Gott, das Hadern mit dem eigenen Selbst und die Suche nach Beweisen für die Schuld treiben Schwester James in die Hoffnungslosigkeit. Ihr naives Weltbild vom Guten im Menschen wird in Trümmer gelegt. Sie ist Spielball der Machtkämpfe zwischen den Rivalen. Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman liefern sich ein glänzendes Psychoduell. Wenn es im Büro der Oberin zum Aufeinandertreffen der beiden kommt, knistert die Luft. Die ausgefeilten Dialoge sorgen für unerträgliche Spannung und im Hirn des Kinogängers spielen die Sympathien Ping Pong. Bis zum Schluss bleibt die Frage offen, ob der Zweck die Mittel heiligt. Die Schuldzuweisung wird einem nie leicht gemacht. Mit reduzierten filmischen Mitteln fokussiert „Glaubensfrage“ die Aufmerksamkeit voll und ganz auf seine Figuren, deren Besetzung nicht treffender hätte ausfallen können. Ein forderndes Spiel mit der Moral.


Ein FILMtabs.de Artikel