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Insel der Quäligen

Gefangen im Obrigkeitswahn aller Welt

Berlin. Insel der Seligen? Nicht bei dieser Berlinale. Zwar landet man bei jedem zweiten Film auf einer Insel, doch die haben sich dem Terror der Obrigkeitsherrschaft hingegeben. Im Südafrika der Apartheid, im Militarismus Japans, in einem Benediktiner-Kloster und in einem frankensteinschen Waisenheim.

Gleich vier Filme der diesjährigen, 57. Berliner Filmfestspiele sorgen dafür, dass man nicht reif für, sondern “von” der Insel ist. Was nicht mehr als eine dieser hilflosen feuilletonistischen Spielereien der Festivalberichterstattung wäre, wenn nicht auch auf allen vier Inseln Schreckensherrschaft Fuß gefasst hätte: Da ist die südafrikanische Gefangeneninsel Robben Island, auf der Nelson Mandela einen großen Teil seiner Haft verbrachte und auf der – nach Ansicht des unsäglich geschichtsklitternden “Goodbye Banfor” ein weißer Wachmann mit seinem großen Herz (Joseph, der untalentiere Fiennes) die Befreiung Südafrikas herbeigeführt hat. Oder war doch seine Frau, eine dusselige Friseuse (Diana Krueger), mit ihrem Wunsch nach Beförderung die treibende Kraft? Wir wollten es nie erfahren, aber auch das musste uns Bille August (“Fräulein Smilla”, “Das Geisterhaus”) aufs Auge drücken – ausgerechnet am 11.Februar, dem 17. Jahrestag der Befreiung von Nelson Mandela. Eine Unverschämtheit, die wir mit dreimaligem Absingen von “Beko” büßen werden!

Oder vielleicht zur Buße in ein Benediktiner-Kloster auf der venezianischen Insel San Giorgio Maggiore? Keine gute Idee, wie der brillante “In memoria di me” von Saverio Constanzo (“Private”) zeigt: Der junge Andrea spürt im weltlichen Leben eine unerträgliche Leere und meldet sich beim Ordensvater (explizit deutsch: André Hennicke) als Novize an. Die Tage und Nächte unter dem Schweigegelübde sind innere Reflektion in Bild und Ton so spannend wie ein Hitchcock. Aber auch hier fordern Oberste blinden Gehorsam im Missionsdienst ein. Auch hier ersetzen Ränge die Achtung von dem nächsten Menschen. Vielleicht verhüllt von der Kutte, aber im Prinzip das gleiche System, dass gefügige Schafe produziert. Ein umjubeltes Meisterwerk.

Und gerne mal in der Katastrophe Krieg endet, wie Clint Eastwood in “Letters from Iwo Jima” zeigt, der japanischen Seite von “Flags of our Fathers”. Die extrem mörderische Schlacht um eine Pazifikinsel am Ende des 2.Weltkrieges ist zuerst bestimmt von der Logik des Krieges. Dann stellt uns Eastwood allerdings mehr und mehr “den Gegner” als Mensch vor. Wir sehen und hören im japanischen Original, nicht alle Japaner standen auf Kamikaze und Bonzai. Viele wollten auch einfach nach Hause, zu Frau oder Familie. Wobei das ganze Massaker angeblich doch nicht für die Familien (und den Kaiser) veranstaltet wurde. Erschütternd.

Jenseits aller Kategorie befindet sich wieder der Kanadier Guy Maddin mit seinem modernen Stummfilm “Brand upon the brain”. Die Figur Guy Maddin erinnert sich dabei an die Kindheit auf einer Insel mit Waisenheim. Die Mutter kann in die Herzen schauen und der Vater ein Verjüngungselexier aus den Gehirnen der betäubten Kinder saugen. Zwischen Frankenstein und Vampirismus fesselt die schräge Fantasie vor allem mit dem Soundtrack, der am Donnerstag in der Deutschen Oper live zum Film aufgeführt wird. Die Erzählerin ist auch dann wieder Isabella Rosselini, jedoch dann auch live. Ein ganz besonderer Leckerbissen dieser Berlinale.


Ein FILMtabs.de Artikel