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Ich und Du und alle, die wir kennen

USA 2005 (Me And You And Everyone We Know) Regie und Buch: Miranda July mit John Hawkes, Miranda July, Brad William Henke 91 Min. “Obschönitäten (sic!) und Wunder” hätte dieses kleine Meisterwerk auch heißen können. Oder einfach: “Unglaublich!” Der erstaunlich vielseitigen, 1974 geborenen amerikanischen Künstlerin Miranda July gelang mit ihrem ersten Spielfilm “Me And You …” ein schillerndes Gebilde kreativer Ideen und anrührender Momente. Wann hat man im Kino schon mal um das Leben eines Goldfischs gebangt? Christine fährt gerade wieder mit ihrem Senioren-Taxi durch die Stadt und beobachtet, wie ein nachlässiger Vater das Tierchen im Plastikbeutel auf dem Dach seines Wagens vergisst. Mitten im fließenden Verkehr versucht Christine nun, durch gleichmäßige Geschwindigkeit den Fisch zu retten. Nicht ohne ihm vorher in einem Gebet versichert zu haben, dass er in seinen letzten Minuten geliebt wurde. Dies lächerlich kleine, wunderbare Drama ist nur einer der zahlreichen ganz eigenen, ganz besonderen Momente, dieses gleichzeitig verträumten und doch kristall-klaren Films. Protagonistin ist die Regisseurin selbst in der Rolle Christines, einer Künstlerin, die Urlaubsfotos mit unterschiedlichen Rollen und dem Rauschen des Fernsehers vertont. Diese Videokunst der unscheinbaren, stillen, in rosa Tönen gestreiften Frau kommt bei zynischen, in schwarz gewandten Galeristinnen selbstverständlich nicht an. Ihre Begegnung mit dem philosophischen Schuhverkäufer Richard (John Hawkes) inspiriert Christine zu einer wunderschön kreativen und verspielten Romantik. Neben dieser Begegnung fesseln noch vier andere, ebenso ungewöhnliche Beziehungen, die auch – sicherlich in den USA – provokanten Aspekte des Sexuellen enthalten. “3D and Touch in the Digital” (3D und Berührung im Digitalen Zeitalter) lautet der Titel einer Ausstellung im Film und könnte auch helfen, dem unerhört freudigen und herzerwärmenden Geschehen einen abstrakteren Sinn abzugewinnen. Besonders eindrücklich der Internet-Chat der beiden Söhne von Richard: Peter, klärt den kleinen Robby auf, dass die Frage nach den Brüsten herausbringt, ob ein Mann oder eine Frau an der anderen Seite in die Tasten hackt. Dann kommt der circa 7-Jährige mit einem analen Vorschlag, der selbst jemanden überrascht, der Prüderie nur als Variante beim Rollenspiel kennt. “Me And You …” wurde mit angenehm geringem Budget einfach inszeniert. Wohltuend auch die weitgehende Abwesenheit von Zynismus in den Figuren und überbetonter Angst in der Dramatik. Die weitgehend unbekannten Darsteller dürfen dadurch ihr Können voll ausspielen, vor allem John Hawkes als allein erziehender Romantiker Richard beeindruckt nachhaltig. Neben faszinierend schrägen Erwachsenen- und Kinder-Figuren erlaubt sich Miranda July auch treffende Seitenhiebe auf den Kunstbetrieb. Sie macht klar, wo naturalistische Bilder von Vögeln hingehören: In Bäume!


Ein FILMtabs.de Artikel