Wild at heart
Der Regisseur David Lynch und sein neuer Film
Schon nach nur vier Spielfilmen in 15 Jahren steht sein Ruf fest: Der Amerikaner David Lynch gilt als Genie. Nachdem Lynch aus Geldmangel sechs Jahre zur Fertigstellung benötigte wurde "Eraserhead" 1976 schnell ein Kultfilm . Der in eindringlichem Schwarz/Weiß perfekt inszenierte Leidensweg eines verunstalteten Menschen am Ende des 19.Jahrhunderts "The elephant man" gehört zu den Meilensteinen der Filmgeschichte. Im Science-FictionEpos "Dune - Der Wüstenplanet" hat der materielle Aufwand Lynchs Kreativität trocken gelegt, aber mit "Blue Velvet" gelang eine filmisch und thematisch atemberaubende Vision vom amerikanischen Leben hinter den Fassaden des Durchschnittbürgertums.Mit "Wild at heart", seinem neuen Film, geht Lynch in der Inszenierung von Extremen noch weiter. Das zeigt schon die erste Szene. Unter ohrenbetäubendem Hardrock bricht die Gewalt des Hauptdarstellers Sailor Ripley aus und hinterläßt nach wenigen Minuten einen zerschmetterten Kopf sowie literweise Blut und Gehirn.Das Motiv hinter dieser Tat bleibt Schwungfeder des ganzen Films. Sailor und Lula lieben sich wahnsinnig und fliehen vor Marietta Pace, Lulas Mutter. Marietta läßt das Paar aus Eifersucht und weiteren, kriminellen Gründen verfolgen und gibt durch angeheuerte Killer der Flucht das nötige Tempo. Doch die Erzählung der Reise, der Episoden und Begegnungen mit extremen Figuren ist nicht der eigentliche Film "Wild at heart". Zu unstrukturiert verläuft die Handlung, die vielen extremen Szenen verdecken einen recht lückenhaften Zusammenhang.Enorm in der Wirkung sind zum Beispiel die Streichhölzer, die immer wieder aufflammen. Leinwandfüllend explodieren sie förmlich und korrespondieren mit dem Feuer, das Lulas Vater vielfach in Rückblenden umbringt, sowie den allgegenwärtigen Zigaretten und den Randbemerkungen zum Lungenkrebs. Doch ein Sinn ist weder hier noch bei den anderen beeindruckenden und schockierenden Einzelszenen zu finden.Extrem brutal, extrem kitschig und extrem lächerlich - in diesem Rahmen bewegen sich auch die Figuren. Ob Sailor, die Elvis-Parodie, dessen Schlangenlederjacke Symbol seiner Individualität ist oder Marietta, jederzeit grell und nachmittagsserienmäßig. Lynchs Figuren sind nur überzogene Karikaturen, ihr Wesen ein Mischmasch aus Lebensstilen. Welch ein Unterschied zum "Elefantenmensch" aus dessen abstoßendem Äußerem der Anspruch "Ich bin ein Mensch" glaubhaft hervorkam.Wenn dann alle gewaltigen Szenen und die Unzulänglichkeiten überstanden sind, platzt einem noch eine Seifenblase des Kitsches ins Gesicht. 'Nichts ernstnehmen' scheint das Motto zu sein, mit dem sich die vielfältigen Provokationen aushalten und die verstreuten Spuren von David Lynchs Genialität genießen lassen. Denn weiterhin hat er den Mut zu Filmen die neu und schockierend sind.
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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