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Wild Wild West

USA 1999 (Wild Wild West) Regie Barry Sonnenfeld, 107 Min.

Cowboys in Black

Endlich hält die Zukunft auch im Western Einzug. "Im Westen was Neues" lautet der treffende Werbespruch. Mit frecher Dreistigkeit vermischt "Wild Wild West" das Cowboy-Genre mit wildem Science Fiction, gibt den rappenden Schauspieler Will Smith und den kameraerfahrenen Regisseur Barry Sonnenfeld als Erfolgsbringer von "Men in Black" dazu und fertig ist ein schnellebiger Kinohit.

US Special Agent James West (Will Smith) sucht im noch wilden Westen eine Gruppe verschwundener Wissenschaftler. Hinter den Entführungen vermutet er auch den Verantwortlichen eines Massakers im Bürgerkrieg, bei dem seine Eltern starben. Der wilde James West ist als Superheld eine Mischung aus Bond, Bruce Lee und Lucky Luke. Sein Motto lautet: "Erst schießen, dann schießen, noch mal schießen, dann dem Haufen von Leichen einige Fragen stellen." Sein Partner wider Willen Artemus Gordon (Kevin Kline) arbeitet mit den subtileren Mitteln von Verkleidung, versteckten Waffen, versucht sich auch mal in Hypnose und setzt dauernd mechanische Neuentwicklungen im Stile der Bondfilme ein, die allerdings im Staub des Westerns stark komödiantisch wirken.

Schnell ist die Spur der verschwundenen Wissenschaftler gefunden. Die größenwahnsinnigen Pläne des Dr. Loveless (Kenneth Branagh), eines kriegerischen Kapitän Nemos auf dem Trockenen, zeigen sich im vollen Ausmaße erst, als er seine fantastischen Maschinen losläßt. Im Bürgerkrieg verkrüppelt, entwickelte er eine perfide Perfektion darin, die fehlenden Glieder technisch zu ersetzen. Zusammen mit kürzlich besiegten Südstaatlern sinnt er auf Rache und stellt der US-Regierung ein knappes Ultimatum: Sie hätte eine Woche Zeit, sich zu ergeben.

Aus einigen Häppchen US-Geschichte erfahren wir: Das Washingtoner Capitol ist gerade im Bau, vor dem Weißen Haus kann man noch Pferde anzäumen und der Präsident Grant (Kevin Kline darf noch mal das Präsidenten-Double spielen) sitzt nicht ganz sicher im Sattel. Aber die Vernetzung des Landes mit Eisenbahnschienen soll gerade abgeschlossen werden, ohne die schnellen Züge wäre der Film auch nur halb so belebt.

Es ist klar, daß die zwei "Buddies" West und Gordon sich während ihres gemeinsamen Auftrages anfreunden werden. Daß ihr Streit um die angebliche Mexikanerin Rita (Salma Hayek) nur eine kurze Episode ist, überrascht und enttäuscht ein wenig, weil es dem Film eine zusätzliche Schiene vorenthält, wie überhaupt die Rolle Salma Hayeks sehr nebensächlich ist. Aber Frauen spielen von der lippenlesenden Walküre über die unverständlich spanische Selma Hayek generell nur eine dekorative, zuarbeitende Nebenrolle. (Friedrich Kittler hätte seine Freude daran, zu sehen, wie die Frauen für Loveless die Apparaturen bedienen!) Dafür kommen sich die beiden Männer oft zweideutig nahe - nicht nur, wenn Magnete um ihren Hals für Klamauk sorgen.

Artemus Gordon hat eine Menge Frauenkleider im Schrank. Dazu lange Reisen alleine im Hightech-Zug, da müssen zweideutige Gedanken aufkommen, und so amüsiert sich diese Männerfreundschaft immer wieder mit anzüglichen Scherzen. Eine Rolle, für die sich Kline mit "In & Out" qualifizierte. An zweiter Stelle der Scherz-Häufigkeit stehen die erniedrigenden Bemerkungen Wests gegenüber seinem Gegner im Rollstuhl, zum Beispiel daß der sitzende Gernegroß gerne auf eine "stehende" Armee verzichten kann. Der retourniert zwar mit ebenso treffenden rassistischen Gemeinheiten, aber insgesamt wird "WWW" einige Breitseiten von den Verfechtern der "political correctness" abbekommen.

Loveless wird überaus schurkig und genial gemein gespielt von Kenneth Branagh (der nach "Vom Fliegen und anderen Träumen" jetzt selbst mal im Rollstuhl sitzen darf). Er stiehlt Smith und Kline jederzeit die Show. Nur die Selbstverständlichkeit, mit der Beine im Film digital amputiert werden, erstaunt noch mehr.

Für viel Geld entstanden Effekte in Form riesiger, hydraulischer Maschinen, die vor allem als Anachronismen im Western-Umfeld verblüffen. Dieser teuere "Cowmen in Black" - was wohl der ehrlichere Titel wäre - reicht jedoch nicht an die erzählerische Dichte und die rasante Schlagzahl des Humors bei "Men in Black" heran. Es ist ein typischer Popcorn-Film und wie beim Popcorn plöppen reichlich Ideen eine nach der anderen hoch. Alles ist flockig und leicht bekömmlich aufbereitet. Ein ekliger Südstaaten-General mit implantiertem Hörrohr wird da schnell aus der Popcorn-Tüte entfernt. Doch "Wild Wild West" zeigt zu wenig Feinheiten, nicht genug Höhepunkte, die sich selber überschlagen. Die gute Grundidee wurde zu schnell verheizt.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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