White Lies

USA 1996 (White Lies) Regie und Buch Ken Selden, 94 Min.

"Das Tolle an diesen Bildern ist, daß sie von jederBedeutung befreit sind," schwatzt der junge Leon Turner (LarryGilliard Jr.) Sonntags im Guggenheim-Museum vor Bildern irgendwelcherrussischer Konstruktivisten. Die Standardphrasen nahm der schwarzeMuseumswärter von Kunstkritikern auf, um in der Freizeit mit deninhaltsschweren Sprüchen Frauen anzubaggern. Bei Mimi (JulieWarner) hat er Erfolg. Die Galeristin glaubt ihm sogar unbesehen,daß er ein begabter junger Maler ist. So nimmt dieKomödienüberraschung des Frühjahrs ihren Lauf und dieersten (Film-) Bilder des jungen Regisseurs Ken Selden strotzen nurso vor witzigen, klugen und gemeinen Bedeutungen.

Der frische Bluff mit der Kunstszene - die sich selbst als eineinziger großer Bluff erweisen wird - startet: Der gewitzteLeon handelt einer Fixerin (Roseanna Arquette malte schon in"New YorkStories") ein paar Selbstporträts ab und signiert sie mitseinem Namen. Die zum Verkauf von "Minderheiten-Kunst" notwendigeThematik "kultureller Dominanz" ist schnell hineininterpretiert. Denndie Szene ist scharf auf "schwarze Kunst", seit Jean MichelBasquiat gab es nichts mehr zuverkaufen. Wichtiger als Inhalte sind dabei "Posing" und "NameDropping" auf Ausstellungseröffnungen: Den neuesten Roman nichtgelesen, aber auf den Lippen haben. Einen Spruch nicht verstehen,aber überzeugend damit Eindruck schinden - die Anderen werdenihn sicher auch nicht verstehen. Nicht Kleider machen Leute, in derKunstszene machen die richtigen Sprüche den Unterschied aus. (Dahat sich seit den Zeiten von"Ridicule" nicht vielgeändert!)

Leon ist ein netter Gauner, immerhinstellt er mit seinerrespektlosen Art die schleimige Kunstmafia bloß. Etwas zuspät merken der unschuldige Betrüger und die naiveKunstschnepfe Mimi, daß sie mehr als nur ein Geschäftvoneinander wollen. Doch die neue Galerie ist renoviert, derAusstellungstermin steht, alles wartet auf den "Spike (Lee) with abrush" ...

Das ganze Wachsen und Blähen eines großen Bluffsläuft humorvoll und mit reichhaltig Überraschungen ab.Leons Papagei (Rolo-) Dex kräht am Morgen, flattert alsScherzvogel durch die Geschichte und verkörpert LeonsErfolgsrezept: Zuhören und im richtigen Moment wiederholen.

"White Lies" spielt nicht nur in und mit der Kunstszene New Yorks.(Deutliche Hinweise in RichtungBasquiat und das Warhol-Zitat vomdauernden Aufnehmen per Tonband.) Auch die Annäherung vonSchwarz (Leon) und Weiß (Mimi), die in Filmen oftmärchenhaft einfach erfolgt, bringt einige Hindernisse mit sich.Die Figuren sind vielfarbig und sympathisch menschlich. HarveyFierstein ("Das Kuckucksei") liefert eine exzellente Kurzrolle alsexzentrischer Kunsthändler Art Hoarder. Selbst Mimis gemeinerLebenspartner, der Kunstkritiker Richard (Terry Kinney), hat seinenetten Seiten und verscheucht ein paar Penner, indem erWordsworth-Lyrik zitiert.

Hinter diesem jungen und frischen Projekt steht der erfahreneProduzent Arthur Cohen, ein Weltbürger, der immerhin schonfünf Oscars erhielt.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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