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Wachgeküßt

USA 1998 (Living Out Loud) Buch und Regie Richard LaGravenese, 100 Min.

Eine Frau wird von ihrem Mann (Martin Donovan), dem sie ihren Lebensplan opferte, wegen einer Jüngeren verlassen und entschließt sich - viele Runden auf der emotionalen Achterbahn später - erstmal das mit sich Alleinsein zu genießen. Klingt nicht besonders prickelnd oder originell. Und doch ist "Wachgeküßt" ein ganz ausgezeichneter Filmgenuß, weil er eher eine stille, genau gefühlte Stimmung als einen dramatischen Prozeß zeigt.

Als Judith Moore (Holly Hunter) verlassen wird, fällt sie in ein tiefes Loch, springt sogar aus dem Fenster - doch nur in einem der vielen Tagträume, die verhindern, daß die eindrucksvoll gespielte Verzweiflung, die schreckliche Leere auch nur in die Nähe von Melodramatik kommen. Irgendwann kann die verzweifelte Krankenpflegerin in den Vierzigern wieder die Augen öffnen, um andere einsame Menschen zu erkennen. Da wäre der kleine Portier Pat (Danny DeVito), der ihr kaum bis zur Brust reicht, aber schon besser mit Einsamkeit und dem Rest des Lebens zurechtkommt. Folgt nun diese Romanze in Spielfilmlänge? (Wobei jeder Moment seine Zeit wert wäre.) Nein, es folgen Alkohol, Kontakt-Pillen, ein aufregender Tanzabend in einer Frauendisco, rasende Ängste voller Sehnsucht, die Freundschaft mit der Sängerin Liz (Queen Latifah).

Deren schwarzer Club mit seiner intensiven Soul-Atmosphäre färbt auf den Rest der Films ab. (Und irgendwann wird auch Danny DeVito ein Liedchen geben!) Auch ansonsten ist der Film pure Eleganz, beginnend mit dem Song der bemerkenswert spielenden Queen Latifah, der unmerklich in die Gefühlswelt von Judith überblendet. Die Gespräche sind klug und erwachsen. Judiths Selbstexperimente mit ihrem Leben sind ungemein spannend, die Begegnungen packend. Deshalb muß der Film auch nicht unbedingt irgendwo hin, er kann ganz bei seiner Hauptfigur bleiben. Sie, Judith, taucht in der letzten Einstellung ohne die Sicherheit einer Beziehung oder eines dicken Kontos neugierig und glücklich in das Leben der Stadt ein.

Zu danken ist der gelungene Film selbstverständlich dem Autor und Regisseur (früher sagte man einfach: Autor) Richard LaGravenese, der vor diesem Debüt die Bücher für unter anderem "König der Fischer", "Die Brücken am Fluß" oder "Der Pferdeflüsterer" schrieb. Der in jeder Szene sehenswerte Film kann aber auch auf eine der besten Charakterdarstellerin für solch anspruchsvolle Rollen bauen: Holly Hunter ("Nachrichtenfieber", "Das Piano"). Diesmal kann sie Judith als Frau aus einem nicht so schnieken Gegend eine rauhe und eine sehr empfindsame Seite geben. In jeder Hinsicht ein Kinogenuß!


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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