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Ein wahres Verbrechen

USA 1999 (True Crime) Produktion und Regie Clint Eastwood, 127 Min.

Scheinbar ist er noch ganz gut drauf, der reichlich faltenreiche Senior Steve Everett (Clint Eastwood). Er flirtet mit einer wesentlich jüngeren Kollegin und schläft mit der Frau seines Redaktionsleiters Bob (Denis Leary), der ihn sowieso schon immer auf der Abschußliste hatte. Mit dem zynischen Chefredakteur Alan Mann (James Woods) verbindet ihn eine gegenseitige Hochachtung und ein sagenhaftes Arsenal an Männerscherzen.

Als eine junge Kollegin verunglückt, fällt die "Human Interest Story" über den dunkelhäutigen Todeskandidaten Frank Beachum (Isaiah Washington) an Steve Everett. Eine dieser Belanglosigkeiten, die Zeitungsseiten und Köpfe füllen, soll es werden. Dieser Hinweis des Redaktionsleiters Bob (Denis Leary) ist wichtig, denn Steve hat eine Tendenz zu ganz großen Enthüllungsstories. Meist setzt sich der alte Fuchs damit in die Nesseln, besonders wenn sein angeblich guter Riecher vom Alkohol vernebelt ist. Diesmal spürt er nach wenigen Minuten etwas Faules auf - in einen Fall, der sechs Jahre durch alle Instanzen ging. Doch der viel zu gute Journalist ist auch Vater und rast so von Terminen gehetzt durch den Zoo bis die kleine Tochter schmerzlich aus der Kurve fliegt. Ein sehr ereignisreicher Tag bleibt, um den unschuldig Verurteilten zu retten.

Eastwood zeigt sich als genauer Beobachter (als Redakteur und als Regisseur). Jede Figur ist sehr prägnant gezeichnet und gespielt, bis zum eitlen, selbstverliebten Priester. Dazu ist "Ein wahres Verbrechen" gleichzeitig ein bewegendes Protokoll der letzten Stunden eines Todeskandidaten und dazu noch spannend. Es gibt einige Hinweise auf das unterschiedliche Recht für Schwarze und Weiße und auch das Treiben des Pressewesens wird nicht verschönt. Eastwood macht diese auf Mißstände nicht durch Zynismus einfach konsumierbar.

Filme aus der Todeszelle machen die Problematik der Todesstrafe in vielen Gesellschaften deutlich: "Dead Man Walking" von Tim Robbins plädierte für einen verachtenswerten Todeskandidaten. "Last Dance" ließ mit Sharon Stone das Mitgefühl wirken. "Die Kammer" mit Gene Hackman nutzt den Hinrichtungstermin zur Erzeugung von Spannung. "Im Sumpf des Verbrechens" triumphierten clevere Juristentricks und eine ultra-rechte Haltung.

Bemerkenswert ist auch der langsame Wandel in Everetts Erscheinung: Zuerst sieht er gut aus, ist ein Gewinner bei den Frauen. Er hat wie sein Auto ein heruntergekommenes Äußeres, aber sein alter Charme läuft noch wie geschmiert. Dann zeigt sich der Verlierer, der nichts anderes als seinen Stolz mehr hat und mit mächtig viel schlechtem Gewissen einer letzten Chance hinterher jagt. Er ist ein Mensch, dem das Leben aus den Händen gleitet und der immer noch hofft, daß er sich zum Besseren ändern könnte. Nur die letzte Szene mit Sprüchen vom einsamen Cowboy und heldenhafter Untersicht paßt nicht so ganz, oder haben wir hier die Perspektive des Helden übernommen? Doch Eastwood spielt gerne mit solchen Brüchen, mit dem "Unforgiven-Effekt", der den Western entmythisierte, um ihn in der Schlußszenen noch mal richtig zu überhöhen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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