Vatel

Fr 2000 (Vatel) Regie Roland Joffé, 103 Min. FSK ab 12

Typisch Frankreich: Während die Amis für Rekordssummen Krieg filmen, fahren die Franzosen im teuersten einheimischen Augenschmaus "Vatel" vor allem gutes Essen auf. "Vatel" ist ein international gemischtes Gericht mit den schauspielerischen Delikatessen Gerard Depardieu, Uma Thurman und Julien Sands.

Der wichtigste Mann am Hofe des vom Gicht gequälten Prinzen de Condé ist der Koch Vatel (Gerard Depardieu). Er kümmert sich um die Inszenierungen großartiger Mahlzeiten für den Adel, er gleicht dessen wechselhafte Launen aus. Jetzt ruht eine besondere Last auf seinem Talent, der Sonnenkönig Ludwig XIV (Julien Sands) ist zu Gast. Im politischen Hintergrund droht ein möglicher Krieg gegen die Oranier und der Prinz erhofft sich einen lukrativen Job als General - wenn der König durch die Speisen bei guter Laune bleibt. Merke: Auch Kriege gehen durch den Magen.

Dieses Schauspiel der Dekadenz mit seinem Auf und Ab der Gespielinnen, mit den schmutzigen Ränken der Höflinge, steht im Gegensatz zur Persönlichkeit Vatels. Die Eltern des so verschwenderisch agierenden Großkochs verhungerten. Die Inszenierung der Speisen ist eindrucksvoll, erinnert etwas an Greenaways "Kontrakt der Zeichners", wo täglich ein Tableau erstellt wurde. Hier wird mit Nahrung gemalt, die Bilder haben eine dritte Dimension. In einer drastischen Szene zeigt sich das Sterben hinter dem perfekten Spektakel. Aber die tragischste Figur ist Vatel selbst, der sich ausgerechnet in eine Favoritin des Königs (Uma Thurman) verliebt. Es ist eine aufrechte Liebe inmitten der kurzlebigen Vergnügungen. Vatel opfert alles für sie, dabei ist er selbst nicht mehr als der letzte Einsatz am Spieltisch der Mächtigen. Und sein Nebenbuhler Marquis de Lauzun (Tim Roth) gehört wohl zum Schurkigsten, was die Zeit zu bieten hat ...

Obwohl man immer wieder im Detailreichtum von "Vatel" schwelgen kann, obgleich man ahnt, wie Regisseur Roland Joffé und Autor Tom Stoppard eine reine Liebe des sympathischen Kochs inmitten der übermäßigen Dekadenz heraus leuchten wollten, es gelang nur im Ansatz. "Vatel" hält keinen Vergleich stand zu Lecontes ebenso kunstvoller wie geistreicher Zeit- und Hofgeschichte "Ridicule". Er ist oft ähnlich distanziert wie das Komponistenporträt "Der König tanzt", das zur gleichen Zeit spielt. "Vatel" begeht das gleiche Verbrechen am Menschen, das auch auf der Mängelliste der Ständegesellschaft steht: Der und die Einzelne gehen mit ihren Lieben und Leiden unter im grandiosen Staatsspektakel, im dekadenten Kulissenzauber. Vatel ist der Herr der Küche und der Uhren, er meistert die größten Probleme, doch seine eigentliche Leidenschaft kann er nicht erfüllen. Trotzdem ist Vatels Ende nicht richtig nachvollziehbar.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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