ghj-logo

... und das Leben geht weiter (1993)

(And The Band Played On) USA 1993, R: Roger Spottiswoode, 141 Min.

25.000 Amerikaner und Amerikanerinnen mußten an Aids sterben, bevor ihr damaliger Präsident Ronald Reagan den Namen dieser Krankheit aussprach. Stücke des Weges von den ersten rätselhaften Erkrankungen im Jahr 1977 bis zum einem eitlen Streit darüber, wer den tödlichen Virus zuerst entdeckte, dramatisiert "... und das Leben geht weiter" spannend, bewegend und informativ.

Der Mediziner Don Francis (Matthew Modine) erhält eine Stelle beim amerikanischen Gesundheitsamt. Ein kleines Team soll den mysteriösen Kombinationen verschiedenartigster Krankheiten nachgehen, die so noch nie beobachtet wurden. Wie in einem Krimi suchen Dons Kollegen und eine Kollegin in den ganzen USA nach Patienten, erfragen deren sexuelle Praktiken, ziehen Verbindungen und erarbeiten sich so all das, was heute zum Allgemeinwissen über Aids zählt.

Roger Spottiswoode, der neben engagierten Filmen wie dem El Salvador-Thriller "Under Fire" auch schon mal Peinlichkeiten wie "Air America" oder "Stop! Oder meine Mami schießt" fabrizierte, gelang zusammen mit dem Drehbuchautoren Arnold Schulman (nach dem Buch von Randy Shilts) das Kunststück, eine Menge Fakten und Informationen filmisch und unterhaltsam zu präsentieren. Spottiswoode fand dazu einige überzeugende Bildsymbole: Der Schwenk mit dem Blick eines Aids-Kranken über ein beinahe endloses Feld von Gräbern oder Rubiks Cube, den fast unlösbaren Spielewürfel in den Händen eines dem Tode Geweihten.

Die Verbindung zur Politik, die noch immer versäumt, notwendige Mittel zur Erforschung und Bekämpfung des Virus rechtzeitig bereitzustellen, bleibt mit Fernsehbildern Ronald Reagans stets präsent. Der noch immer praktizierte Euphemismus bei den Todesmeldungen ("Die erste Epidemie der Geschichte, an der offiziell niemand stirbt") kommt ebenso zur Sprache, wie die späte Einführung des Begriffes 'Aids', der die diffamierende Bezeichnung 'Schwulen-Krebs' ersetzte. In diesem Rahmen unerwähnt bleibt die Verschwörungstheorie, die davon ausgeht, daß der Aids-Virus künstlich erzeugt wurde.

Was die Mitwirkung berühmter Schauspieler anbelangt, wird "... und das Leben geht weiter" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Film von Kiarostami!) mit Stanley Kramers Film über die Nürnberger Nazi-Prozesse verglichen. Anjelica Houston, Richard Gere (der sich schon in den Siebzigern mit dem "American Gigolo" in Tabu-Bereiche hineinspielte), Phil Collins und andere beteiligten sich mit sehr eindrucksvollen kleinen Rollen, ohne Rücksicht auf das geringe Budget dieser HBO-Produktion für das Fernsehen.

Damit ist "... und das Leben geht weiter" noch ein Indiz dafür, daß Aids in der breiteren Öffentlichkeit akzeptiert wird. Nachdem bereits vor einigen Jahren eine andere Chronologie der Immunschwäche-Krankheit ("Longtime Compagnion", so der amerikanische Begriff für einen nahestehenden Aids-Toten) Aufsehen erregte, wendet sich nun sogar Hollywood mit "Philadelphia" (auf der kommenden Berlinale zu sehen) dem ehemaligen Tabu-Thema zu. Dabei wird es Zeit für neue Filme, denn ein Heilmittel gegen Aids konnte immer noch nicht gefunden werden.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch

Ein Service von

arena internet service

FILMtabs-Logo