Theweleit-Lesung: Objektbeziehungen

Von Günter H. Jekubzik

Die Lesung Klaus Theweleits am vergangenen Mittwoch erwies sich in vielfacher Hinsicht als außergewöhnlich. Theweleit wurde durch seine 1977 veröffentlichten "Männerphantasien" bekannt. Bei der Verstaltung der Buchhandlung Backhaus in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk für Friedensarbeit stellte er den neuen Band "Objektbeziehungen" vor. Es ist wieder eine ungebetene Biographie, ein Vorgriff auf den noch zu veröffent lichenden 3.Teil vom "Buch der Könige". Die "Männerphantasien" verfolgten auf über tausend Seiten die seltsamen Liebesver zweigungen einiger Freikorpssoldaten und boten eine anschau liche, aber vor allem durch sprachliche und optische Bilder fülle fesselnde Faschismustheorie. Ebensowenig wissenschaftlich trocken, dafür voll aus dem Leben und den populären Kulturen Film, Schlager, Comic schöpfend, geht Theweleit jetzt der Frage nach, warum bei Beziehungen 1+1 fast nie 2 ergibt. Warum geht immer einer der Partner gegen Null, während sich der andere zu neuer Größe emporzieht? Das Motto der Partnersuche ist "All you need is Love", aber was suchen und brauchen wir wirklich? Die Objektwahl oder Paarbildung hatte in der Geschichte eher praktische als romantische Gründe. "Mann" suchte zum Beispiel eine Arbeits kraft, gesellschaftlichen Aufstieg oder eine Haushaltshilfe. Eine spezielle Form der Objektwahl bei künstlerisch kreativen Männern, die Suche nach einem Medium, sei es eine Schauspie lerin für Brecht, eine Sängerin für Monteverdi oder eine Schreibkraft für Benn oder Kafka, zieht sich als Hauptlinie durch "Orpheus und Eurydike", dem ersten Band des "Buchs der Könige". Die mediale Frau muß sich durch technische Avanciert heit auszeichnen. So heiratete Hitchcock Alma Reville, eine der besten CutterInnen, die auf dem Sprung war, selber Regie zu führen. Nach ihrer Ehe befragt, sagte Hitchcock, seine Sexualität spiele sich über der Halskrause ab. Die Liebe bezog sich demnach eher auf die herausragenden technischen Fähigkei ten. Im dritten Teil wird Freuds Modell von Objektbeziehungen und deren Spiegel in den Frauen seines Lebens zentraler Punkt sein. Während der Lesung spannte Klaus Theweleit in beinahe zwei Stunden den gesamten Bogen dieser Argumentation. Dem sympathischen und humorvollen Autor war die Lust am eigenen Text anzusehen. Auch wenn die Fülle von Zusammenhängen, Verweisen und Anspielungen beim Vortrag nicht zu erfassen ist, läßt der dauernd vorhandene Bezug zum einzelnen, beziehungs weise zum paarweisen Leben den Funken überspringen. Die konkrete Sprache beschreibt auch psychologische Aspekte mit alltäglichen Worten und sinnigen Wortspielen: Zum Beispiel die Partnersuche nach dem Kriterium der immer gleichen Backenkno chen da liegen doch lautlich die Beckenknochen nahe und fügen einen wichtigen Wahlgrund hinzu. Da Klaus Theweleit für seinem Schreibprozeß keine mediale Frau verheizt und sich auch um die Erziehung eines Kindes kümmert, wird es wohl noch etwas dauern, bis die 500 Seiten "Benn. Dr. Orpheus am Machtpol." erscheinen. Auch Weiteres zu Freuds und Hitchcocks Schwindel ist angekündigt. Während zu den Tricks des Psychoanalytikers erst in Jahres etwas Neues erscheinen wird, ist die Höhenangst von James Stuart in "Vertigo" offensichtlich. Doch wie bei den vielen anderen kleinen Geschichten, die das Argumentationsnetz Klaus Theweleits so lebendig und interessant machen, sind raffinierte Tiefen zu erwarten.


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