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Deutsches Publikum - Dummes Publikum?

Von Günter H. Jekubzik

"Gadjo Dilo" läßtMenschen aus verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen. Der dritteTeil einer "Zigeuner-Trilogie" von Tony Gatlif gehört zu denwenigen Filmen, die das Publikum auf der Seite des Fremdenmitfühlen lassen. ("Lamerica"wäre ein weiteres Beispiel.) So erlernt der junge FranzoseStephane in einem Zigeunerdorf Rumäniens das Roma seinerGastgeber. Nur Sabina, eine Roma-Frau, hat früher in Belgienetwas "Belgisch" (gemeint ist Französisch) gelernt. Sie undspäter ein reicher Junge übersetzen Stephane Suche nacheiner bestimmten Sängerin. Humorvoll und treffend spielt derRegisseur Gatlif mit typischen Vorurteilen gegenüber Zigeunernund kehrt sie um. Beim lustvollen Erfahren anderer Lebensweisenspielt das Verstehen beziehungsweise das Nicht-Verstehen einebesondere Rolle. Das war auch dem deutschen Verleiher Senator klar,der nach Angaben seines Technischen Leiters Andreas Dobers reichlichGedanken und Zeit auf die Umsetzung des Films für ein deutschesPublikum verwandte. Die Maxime - in Hinblick auf die allgemeinverbreitete Leseverweigerung des deutschen Kinopublikums - lautete,so wenig Untertitel wie nötig. Leider mit erschreckendemErgebnis - vor allem unter dem Aspekt der Werktreue.

Schon zu Beginn, bei der ersten nächtlichen Begegnungzwischen Stephane und Izidor, beherrscht der alte, sturz-betrunkeneRoma einige Brocken Deutsch, die dem Publikum unübersehbareTrinkaufforderungen verdeutlichen sollen. Dafür bleiben unsblumige und atemberaubend lange Flüche vorenthalten, die in derfranzösisch untertitelten Originalversion sehr wohl zu lesenwaren. Kurz darauf muß auch ein unbedarfter Kinogängerstutzen, wenn einfache Dorfbevölkerung kurzzeitig vomVermögen deutscher Sprache beseelt ist. Ganz schlimm wird es zumEnde, wenn eine ganze Kneipe plötzlich gebrochen deutsch redet.Tatsächlich sprechen die Menschen im Original in ihrer Sprache,wahrscheinlich recht sicher und korrekt. (Die Konfrontationverläuft exakt zwischen Rumänen und Roma - doch dieWiedergabe solcher Nuancen im deutschen Kino erscheint absolutundenkbar.) So werden aus den fremden sofort dumme Menschen. Untereifriger Beihilfe der deutschen Abneigung gegen Originalversionen.Derart synchronisiert unterschiedet den besonderen Film "GadjoDilo" nichts mehr von der Verunglimpfung fremdspachiger Menschen,die vor allem aus dem Hollywood-Film bekannt ist.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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