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Max Goldt-Lesung

Max Goldt las in der Mayerschen Buchhandlung und an diesem Mittwochabend waren die Räumlichkeiten ein Epizentrum der Heiterkeit. Der schwerlich in fremden Worten faßbare Worthumorist, Ex-Onkel Max in seinen Titanic-Kolumnen (Onkel Max' Kulturtagebuch) und Magnet für seine treue Anhängerschar sorgte bei seinem wiederholten Gastauftritt in Aachen erneut für reihenweise strahlende Gesichter und minutenlanges Dauerlachen.

Goldt, der nach eigener Aussage nicht liest, um ein Buch "vorzustellen" oder sein Publikum kennenzulernen (sondern um Geld zu verdienen und das Publikum zu erfreuen), begrüßte den Saal mit "Liebe Kunden!" Schon lange vorher war der Leseabend ausverkauft. Der Gerade-Vierziger Goldt, der seit 1977 in Berlin lebt, ließ über ein Tagebuch an seiner letzten Geburtstagsfeier teilhaben. Mit geschliffenen Formulierungen und einer warmer Stimme, schilderte Goldt an bekannten Mitmenschen wie dem "Nerd" (langweiliger Fachidiot) oder dem "Warmduscher" tausend Eigentümlichkeiten, die man selbst übersah aber gerne schallend wiedererkennt. Wie er den Erzählfaden in "Pünktlich Plus" führt, ist unvergleichlich: Von den Vor- und Nachteilen der Pünktlichkeit auf's Besuchen und das tragikomische Schicksal eines Nichtbesuchten, der in seiner einsamen Wohnung tot neben 21 mumifizierten Katzen aufgefunden wurde. Trotz bissiger Bemerkungen und scharfen Karikaturen bleibt Goldt menschenfreundlich.

Goldt-Abende beflügeln Wortwahl und Formulierungs-Phantasie ihrer Teilnehmer (und der meisten Rezensenten) nachhaltig. Eher zufällig als anbiedernd würdigte er Bielefeld und Aachen als Städte ohne Flüsse, deren Entstehung mysteriös erscheint und vermutlich auf ein Hautleiden vorbeiziehender Reitpferde zurückzuführen sei. Als neueste Veröffentlichung gab er kleinste Textchen zum Besten, die er extra für den Setzer des bibliophilen Bändchens "Ein gelbes Plastikthermometer in Form eines roten Plastikfischs" schrieb und als Zugabe sang er dann das "Froschfilm-Lied".

Langjährige Fans kommentierten, es sei ja alles nicht mehr so wie früher. Max Goldt hätte braver gelesen, weniger Rollenstückchen mit verstellter Stimme im Stile des Klassiker "Die Radiotrinkerin" gebracht. Doch diese Aussage böte ihm wohl nur eine "Steilvorlage" für weitere Alltagsbetrachtungen. Ebenso wie die Plazierung des Lesetischchens vor dem Regal "Mutter und Kind" in der Mayerschen Buchhandlung. Der Titel "Allergien sind kein Schicksal" neben der Schulter, das Mikrofon wie eine Clownsnase vor dem Gesicht: Max Goldt erhöht durch stoßweises Lach-Atmen und rasantes Mithören die Sauerstoffzufuhr im Gehirn - der Beweis wurde wieder erbracht.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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