Junge Franzosen

Von Günter H. Jekubzik

Es waren zwei Abende voller Entdeckungen und Erinnerungen beim "Wochenende des jungen französischen Films". Das Institut Francais zeigte im Eden-Kino vier "junge Franzosen", die sich in vielen Aspekten als "Neue Welle" des französischen Films bezeichnen ließen - hätte es die "Nouvelle Vague" nicht schon vor Jahrzehnten gegeben. Dr. Bernard Bonnery, Leiter des Institut Francais in Aachen und Organisator der Filmreihe, nannte die frischen Filme von und mit jungen Kräften "Nouvelle Nouvelle Vague". Eine weitere Besonderheit des Programms voller Überraschungen: Bis auf "Elisa" mit Vanessa Paradis und Gerard Depardieu liefen die Filme erstmals in unseren Kinos.

Die jungen Franzosen leben Energie oder Verzweiflung meist auf den Straßen aus. Einige haben keine Wohnung, suchen verzweifelt nach Liebe - oder zumindest nach aufregendem Sex. Passend unruhig verfolgt oft eine Handkamera ihre Wege, dazu kommt die für die Nouvelle Vague typische Erzählstimme aus dem Hintergrund - eines der nettesten Mittel, Film kostengünstig zu drehen.

Catherine Corsini läßt in "Les amoureux" die verlorene Tochter Viviane ins Heimatdorf zurückkehren. Zuerst scheint es, als sei die knisternde Beziehung zwischen dem Bruder Marc und seiner älteren Schwester Viviane das zentrale Thema. Doch Marc wandelt sich auf faszinierende Weise und sein Coming Out wird zur Hauptsache. In ihrem Erstling drängt Corsini keine Emotionen auf, verzichtet weitgehend auf stimulierende Hintergrundmusik.Im - am Samstag fast ausverkauften - "Elisa" sucht die verlorene Tochter den unbekannten Vater - um den Tod der Mutter an ihm zu rächen. Jean Becker versuchte sein emotional lautes Kino mit dem gleichen Erfolgsrezept von "Ein mörderischer Sommer" zu verkaufen: Das Schlagersternchen Vanessa Paradis sorgt für Erotik und Gerard Depardieu mit einer seiner besten Rollen für Klasse. Komisch und kurios in Handlung und Stil: "A la belle etoile" von Antoine Desrosieres war der frischeste Film des Wochenendes, während "Das Tagebuch des Verführers" schon einen geschlossenen Stil vorweist und mit seiner absurd-originellen Geschichte begeisterte.

Neben den interessanten Entdeckungen neuer Gesichter und Stile überraschten die Bezüge zu älteren Stil-Generationen. Der Auftritt von Jean-Pierre Leaud in Daniele Dubroux "Das Tagebuch des Verführers" war nicht die einzige Verbindung zu alten Nouvelle Vague. Leaud reifte mit dieser Epoche als Antoine Doinel in den Filmen Truffauts. Mit seinen Falten und Fettpolstern ist die alternde Galionsfigur eine Art Bildnis des Dorian Doinel geworden. Mathieu Demy, der Sohn von Agnes Varda und Jacques Demy, spielt in "A la belle etoile" den tolpatschig Einsamen, der in gleich drei Frauen unglücklich verliebt ist. Eine Szene spielt in Cherbourg, der Stadt des bekanntesten Films seines Vaters: "Die Regenschirme von Cherbourg". Besonders anrührend in den beiden letztgenannten Filmen auch die Gesichtszüge des kürzlich verstorbenen Marcello Mastroianni um die Augen und den Mund seiner Tochter Chiara.


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