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Wie heißt "Autorenfilm" auf amerikanisch?

Oldenburg klingt ziemlich cool, wenn es ein Amerikaner ausspricht. Wohl deshalb zeigt das Internationale Filmfest Oldenburg bevorzugt amerikanische Independents und lädt deren Macher ein.

"Independent", das heißt unabhängig produziert, sind die meisten, die besten Filme des vierten und viertägigen Filmfestes (4.- 7. September). Auch bei der letzten Oscarverleihung sahnten hauptsächlich Filme ab, die außerhalb der großen Studios finanziert wurden. Allerdings verschwimmt der Begriff Independent zusehends. Was früher wirklich unabhängig, oft klein, wild, dreckig und meist anders war, arbeitet jetzt regelmäßig für die großen Studios ...

Das Symposium zum 4. Oldenburger Filmfest hatte den Titel "Ein bißchen Independent gibt es nicht" und drohte anfangs zu einer typischen Begriffsdiskussion zu werden. Und wozu das alles? Der vorherrschende, anachronistische Gedanke meinte, nur ein von Beeinflussung freier Künstler kann tolle Filme aus dem Herz und aus dem Bauch machen. Noch krasser: Schieb' mir die Millionen 'rüber und halt' den Mund.

Die amerikanischen Filmmacher schilderten im ersten Symposiumsteil "The American Patient" erheiternd, wie ihnen die Geldgeber das Drehen zur Hölle machen. Tim Hunter, der mit "The Maker" nach fünf Jahren und Fernseherfolgen mit "Twin Peaks" endlich wieder einen Kinofilm realisieren konnte, mußte um jedes zusätzliche Licht, jeden weiteren Song kämpfen. Seine Produzenten will er beim nächsten Mal am liebsten in Gangstermanier mit dem Gewehr treffen. Dabei ist "The Maker" mit einer wilden Geschichte von Schulkids und Gangstern, mit einem düsteren Matthew Modine und dem aggressiven, schrägen Stil das Musterbeispiel für einen Independentfilm: Solche eigenwilligen, ungewöhnlichen Filme kann das ängstliche Studiosystem nicht produzieren.

Produzent Evzen Kolar definierte "Independent" rein finanziell: Sein 10 Millionen-Projekt, das Ein-Mann-Erschießungskommando Harvey Keitel in "City of Industry", war durch Vorverkäufe einiger ausländischer Rechte abgesichert. So redete ihm angeblich niemand vom Establishment rein. Ein wirklicher Independentfilm sei mittlerweile schwer zu finden. "Der englische Patient" erhielt seine Mittel ja von der Buena Vista-Tochter Miramax. Und auch andere "kleine" Studio-Ableger grasen mittlerweile den weltweit erfolgreichen Trend "Independent" ab. Sundance, das traditionelle Heimspiel-Festival für den unabhängigen amerikanischen Film, hat mit "Slamdance" nicht nur eine unabhängigere Alternative bekommen. Es gibt auch schon "Slumdance" und da werden dann die wirklich freien Filme, die Produktionen mit dem Geist des Underground, gezeigt.

Richtig depressiv wurde die Stimmung, als das Gespräch über den Teich schwappte und die Amerikaner die deutschen Filmemacher nach ihrer Unabhängigkeit befragten. Als dann offiziell der zweite Teil begann, vernebelte der Unterschied zwischen amerikanischen und deutschen Filmemachern das Symposium: Erstere rauchen auf öffentlichen Podien nicht, letztere können das Publikum ganz toll animieren - zum Mitrauchen. Dafür vermögen die deutschen Regisseure ihr (Symposiums-) Publikum nicht annähernd so gut zu unterhalten.

Die x-te Diskussion um eine deutsche Filmmisere stellte wieder das Autoren-Prinzip gegen eine Arbeitsteilung zwischen Produktion, Autoren und Regie. "Die Mystifizierung des Regisseurs geht mir auf den Keks" - nur einer von vielen Kraftsätzen, die Mr. Ich-mache-drei-Filme-mit-Hollywood Thomas Jahn vom Stapel ließ. Der Regisseur von "Knockin' on Hollywoods Door" trat am lautesten für die Leidenschaft und gegen die Handwerker ein, auch wenn es auf Kosten der Professionalität geht. "Wenn drei Leute zusammenkommen, die den Film wirklich machen wollen, dann knallen wir mit 180 Sachen durch die Wand!"

Was dabei rauskommen kann, mußte man sich beim "Silvester Countdown" von Oskar Roehler ansehen: Permanentes Beziehungsgewürge zwischen Berlin und Warschau, im Prinzip schwer-, auf Dauer unerträglich. Da hätten vielleicht ein Produzent, der nicht gleichzeitig Hauptdarsteller war, und ein Regisseur, der bei Interviews das Hauptrollen-Girly nicht peinlich anbaggert, Einspruch erhoben.

Die Übersetzung des Autorenfilms in Oldenburg, der City of Independency, machte die Filmförderung und die Fernsehsender zu den Abteilungen des Bösen, die wie die Studios in den USA ungewünschten Einfluß bei Projekt und Entwicklung ausüben. O-Ton Jahn: "Beim Sender ist die selbe Kacke!"

Neues gab es im Detail: Warner will, daß Jahns nächster Film deutsch bleibt, obwohl Jahn unbedingt in Englisch drehen will. Die Studios sehen generell keine Chance für Auslandsverkäufe deutscher Erfolge. Der Ex-Hückelhover Jahn schiebt im Oktober 20 Drehtage für einen kleinen Film ein, um zwischen den langen Verhandlungen "überhaupt wieder zu drehen".

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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