Christentum im Ausverkauf

Wer zu Ostern ins Kino gehen will, wird nichts Besonderes im Angebotskörbchen finden: In einer weitestgehend säkularisierten Gesellschaft lässt sich von christlichen Themen anscheinend niemand mehr interessieren. Ein genauer Blick ins Kinoprogramm zeigt sogar geradezu einen Ausverkauf christlicher Motive.

Das Weihnachtsfest stimuliert wenigstens Jahr für Jahr die Hollywood-Maschinerie, reihenweise Nikoläuse auf die Leinwand zu bringen. Das hat allerdings mit den Ursprüngen des Festes nicht viel zu tun. Wenn dann mal ein schneereiches Werk wie "Grinch" mit Jim Carrey nach der einfachen Weihnacht ruft - keine Angst - am Ende werden wieder Geschenke im Überfluss konsumiert. Um so überraschender tauchte "Das "Glücksprinzip" vergangene Woche auf: Trevor, ein elfjähriger Junge aus Las Vegas (!), entwickelt aus einer einfachen Hausaufgabe eine Idee, die unsere Welt verändern könnte. Er bemüht sich, drei Menschen aus deren Notlagen zu helfen und bittet sie dabei, das Gleiche jeweils für wiederum drei andere zu tun. Wenn sich so christliches Handeln im Schneeballsystem in der Welt verbreitet, könnten wir alle glücklicher sein. Ein paar amerikanische Städte erreicht "Das Glücksprinzip" im rührseligen Film von Mimi Leder immerhin.

Doch ist Trevors Handeln wirklich Altruismus in der kirchlich ungebundenen Nachfolge Jesu? Oder ist es eine umständlich verhüllte Variante des Egoismus, denn letztendlich sollen die Wünsche ja wieder bei Trevor ankommen und auch sein Leben erträglicher machen. "Das Glücksprinzip" entscheidet sich für letztere Alternative. Der Weg zum Glück wird als Mittel zum (Selbst-) Zweck verkauft.

Und was fängt der moderne Film mit Ostern an, mit der Auferstehung und in Folge mit dem christlichen Jenseits-Entwurf. Eine Leere ist deutlich zu spüren und die Suche nach einem neuen Jenseits führt immer häufiger in den Cyberspace. Bei "Matrix" spielt Keanu Reeves einen Erlöser, eine säkularisierte Jesusfigur - jedoch auf ein paar "literarische" Eckdaten reduziert. Eine Masche, oberflächlich "Inhalte" vorzutäuschen, die schon beim "Terminator" appliziert wurde. In einer Kultur, die seit zwei Jahrtausenden vom Christentum beeinflusst wurde, kann sich niemand von dessen Einflüssen freisprechen. Christliches Gedankengut ist hinter diesen Fassaden aber um so weniger zu finden.

Auf die gleiche Weise versuchen Horrorfilme, die zur Zeit eine unheilvolle Renaissance erleben, Gewicht zu gewinnen: Die Ausbeutung von christlichen Motiven gehört zum Repertoire vom 08/15-Schrecken der teuflischen Verführungen bei "Lost Souls" oder dem apokalyptischen "The Last Days" wie Messer und dunkle Keller.

Am Beispiel von "Bonhoeffer", der eine kirchliche Widerstandsgeschichte dramatisierte, wurde der Teufelkreis von Filmen mit ähnlicher Thematik klar: Die höhnische Argumentation des Marktes lautet, dass kaum einer so was sehen will. Dabei haben die ästhetisch unattraktiven Filme mit extrem geringen Produktionsmitteln und wenigen Kopien keine Chance, überhaupt beim Publikum anzukommen.

Eine der ganz seltenen Ausnahmen einer weitestgehend sinnentleerten Filmindustrie inszenierte der italienisch-stämmige Amerikaner Martin Scorsese mit "Bringing out the dead". In der Rolle eines völlig überarbeiteten Rettungsfahrers durchlebt Nicholas Cage ein Drama um Schuld und Vergebung. Er taumelt dabei durch ein Zwischenreich aus Leben und Tod, hilft in einer faszinierenden Vision Auferstandenen aus dem Asphalt der Straße. Rettung in dieser völlig chaotischen Welt verspricht ihm nur die deutlich erkennbare Marienfigur Mary (Patricia Arquette). Dass Scorsese seinen Glauben ernst nimmt, ist seit seiner "Letzten Versuchung Christi" bekannt. Doch selten waren die Anspielungen im verweltlichten New York derart deutlich. Dieses gleichermaßen attraktive wie tiefsinnige Kunstwerk ist ein kühner Entwurf für unsere Zeit.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo