Tuvalu

BRD 1998 (Tuvalu) Regie Veit Helmer, 91 Min.

Die "Delicatessen" gehen baden!

Auf einigen Festivals gefeiert, aber für das Publikum nur vorsichtig aufbereitet, taucht eine erfrischende Filmkunst in das Sommerkino ein. Veit Helmer belebt in "Tuvalu" poetisch ein baufälliges, altes Schwimmbad mit dem aufgeblasenen (sic!), blinden Bademeister Karl (Phillippe Clay mit der Statur eines Anthony Quinn). Da kaum Kunden auflaufen, simuliert sein Sohn Anton (Dennis Lavant) mit Tonband, strengem Trillerpfeifen und hektischem Schauspiel einen regen Badebetrieb. Die ärmlichen Rentner zahlen mit Knöpfen und so verwundert der sehr durchlässige Zustand des einst sicher schönen Hauses nicht. Eva (Chulpan Hamatova), die einzig junge Schwimmerin, angelt sich mit ihrem BH den Gehilfen Anton, will aber etwas ganz anderes: Mit einem winzigen aber wichtigen Teil der imposanten Imperial-Maschine soll ihr geerbter Dampfer die Trauminsel Tuvalu ansteuern. Dahin führe auch Anton gerne, wie sich bei einem Austausch der Träume herausstellt, aber einstweilen behütet er das Schwimmbad mit der Imperial-Dampfmaschine.

Vom Dach aus beobachtet Anton mit einem Fernrohr die Welt, in die er nicht darf, und auch in Badelatschen, ohne Schuhe, wohl nicht kann. Draußen reißt der verstoßene Bruder Gregor Altbauten nieder, um Wohnsilos zu säen. Auch das Bad steht auf seinem Planierungsplan. Mehr und mehr Ausquartierte beherbergt in Folge der Keller des verfallenen Gebäudes. Und als der Inspektor wegen der offensichtlichen Mängel mit der Schließung droht, legt das Obdachlosen-Einsatzteam eine einmalige Rettungs-Performance hin.

Obwohl geographisch und historisch im Irgendwo angesiedelt, bietet sich eine einfache Interpretation an. Gemeinschaftlich versucht versuchen die unteren und oberen Schichten am maroden Staatsgebilde zu flicken. Die Desillusionierung des regen Betriebes verkraftet der Patriarch Karl. Nicht aber, dass ihm die Luft abgelassen wird. Eine neue Generation entführt das alte Herz der Imperial (-Staaten) in die Freiheit.

Ohne Dialoge, mit nur wenigen expressiven Ausrufen (siehe Kaurismäkis "Juha") von "Technologie", "System", "Profit", mit dem Slapstick des Stummfilms spielt sich das slawisch angehauchte Geschehen ab. Goran Bregovics Musik fügt Gypsie-Stimmung hinzu. Es ist zauberhaft, wenn die gekünstelte Welt zum Südsee-Sonnenstrand wird; sehr schön, wie eine an die Augen gelegte Hand die Träume des anderen erleben lässt. Das hört sich im Ansatz nett an. Doch eine zu dünne Handlung mit simplen Figuren lässt nur einen "gekwollten" Poesiekrampf übrig. Die detailverliebte, hoffnungslos nostalgische Ausstattung wurde mit verschiedenen, scheinbar wahllosen Viragen (Einfärbungen) aufgenommen. Was im französischen "Delicatessen" mit einer reichen Handlung zum unterhaltenden Meisterwerk gelang, bleibt hier eine unglückliche Kuriosität.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo