Tiefe der Sehnsucht

USA 2000 (Passion of Mind) Regie Alain Berliner, 105 Min.

Gespiegelte Anfangstitel weisen auf ein Doppelleben hin. Dann singt ein Mädchen einen sehr bekannten Musicalsong. Was sind die "Favorite Things" von Marie? Das Schlüssellied aus "Sound of Music" steht schon seit Jahrzehnten für kleine und große Fluchten. Diesmal gestaltet sich die Traumwelt recht kompliziert.

Marie ist Literaturkritikerin in einer französischen Landidylle. Doch wenn sie nachts die Augen schließt, ist sie die unglaublich erfolgreiche Literaturagentin Marty aus New York. Welches der so gegensätzlichen Leben ist das Richtige? Nur die gleichen Nachrichten von einer Unwetterkatastrophe tauchen in verschiedenen Sprachen in beiden Welten auf. (Und vielleicht die Flasche Orangina in NY.) Ähnlich wie in "Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht" (Sliding Doors) eine ungemein spannende Situation, die der Film erst einmal langweilig präsentiert. Brav, getragen, gemäßigt. Nicht überraschend - irritierend wirkt allein, dass beiden Welten Hollywoods Künstlichkeit anhaftet.

Zwei Psychologen kümmern sich jeweils um eine völlig desorientierte Frau. Dann tauchen auch noch zwei Männer gleichzeitig auf. Der Schriftsteller William Grunther (Stellan Skarsgard) macht sich im weichen Licht des Südens romantisch an die Kritikerin Marie ran, die seinen letzten Roman zerfetzte. Der Buchhalter Aaron Reilly (William Fichtner) ist zwischen den Wolkenkratzern neugierig auf die knallharte Geschäftsfrau Marty. Während die Musik sich Romantik herausleiert, machen kleine Andeutungen das Rätsel spannend: Welches Leben ist das echte? Welches der Traum?

Marie / Marty schließt sich jede Nacht alleine ein. Ihre Angst geweckt zu werden, frustriert beide Männer. Eifersucht, erst auf den anderen und dann auf ihr anderes Leben, kommt dazu. Schatten legen sich auf die Beziehungen und zwingen eine Entscheidung herbei. Die Lösung ist überraschend unspektakulär. Nicht spielerisch sondern psychologisch ernst und bestimmt Sinn machend. Wenn es auch sehr schön ist, wie sich alles zu einem Ganzen zusammen fügt, habe ich dauernd mehr erwartet.

Das zwiegespaltene Thema spiegelt den Produktionshintergrund dieses Kunstfilms zwischen den USA und Frankreich wider. Die amerikanische Produktion "Tiefe der Sehnsucht" erträumt sich, ein europäisches "Double vie de Marie", ein anspruchsvoller Rätselfilm zu sein. Da er aber auf keinen Fall irritieren darf, füllt er mit zu vielen schönen Bilder die feige Leere. Die virtuellen Welten (ohne ein Pünktchen "digital"!) lösen sich in braven Wohlgefallen auf. Scheinbar doch zu brav für das US-Publikum, das den bescheiden veröffentlichten Film weitgehend übersah.

Weshalb hat man sich dafür bloß den Belgier Alain Berliner geholt, der mit "Mein Leben in Rosarot" (Ma Vie en Rose) und der bunten Traumwelt eines transsexuellen Jungen begeisterte? Damit Demi Moore ihre Karriere aufpolieren kann! Sie hat nach einer rekordverdächtigen Sammlung von Katastrophen (u.a. "GI Jane", "Striptease", "The Scarlet Letter") endlich, endlich, endlich eine gute Rolle mit Charakter und Persönlichkeit gefunden - sogar mit doppelter, weil gespaltener Persönlichkeit!


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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