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Spielberg auf der Berlinale

Von Günter H. Jekubzik

Berlin. Von gemischten Gefühlen wurde der Auftritt Steven Spielbergs auf den 49. Internationalen Filmfestspielen von Berlin begleitet. Der erfolgreichste und bekannteste Regisseur unserer Zeit kam als Gründer der "Shoah Foundation" nach Berlin. Er nahm eine Goldene Kamera sowie die finanzielle Unterstützung von "Partners in Tolerance", einer Initiative von Bertelsmann, Burda und Springer entgegen, sammelte weiteres Geld bei einem Gala-Diner und stellte nebenbei die von ihm produzierte Dokumentation "The Last Das" vor.

Hintergrund all dieser Aktivitäten ist Spielbergs Stiftung, die offiziell "Survivors of the Shoah - Visual History Foundation" heißt und versucht, möglichst viele Überlebende des Holocaust als Zeitzeugen filmisch zu dokumentieren. Bislang wurden nach einem standardisierten Verfahren circa 50.000 überlebende Juden befragt. Die Filmaufnahmen werden nun in mühsamer Kleinarbeit digital gespeichert und sollen auf diese Weise der Menschheit möglichst lange zur Verfügung stehen. Als erstes Ergebnis dieser Bemühungen gab es in den USA eine CD-ROM - von jungen Filmstars kommentiert - für den Einsatz an Schulen.

Mit dem Erfolg von "Schindlers Liste" wurde der "ET"- und "Indiana Jones"-Regisseur Spielberg vom spaßigen Saulus zum engagierten Paulus - oder von Paulus zu Saulus, wie es andere Fans sehen. Er ging die Herkulestat an, die Erinnerungen von furchtbar geschlagenen Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben, für die Nachwelt zu archivieren. Nun werfen gigantische Projekte auch besonders große Schatten. Institute, die seit Jahrzehnten mit bescheideneren Mitteln ähnlich arbeiten wie die "Shoah Foundation", befürchten eine Monopolisierung der Erinnerung und den (auch finanziellen) Fortbestand ihrer Arbeit. Als Spielberg "Schindlers Liste" in Polen drehte, wurde der Schwarzweiß-Film, mit dem er arbeitete, knapp. Die Gefahr zeichnet sich ab, daß anderen engagierten Dokumentaristen nun die Luft ausgeht.

Während die Grundidee der "Shoah Foundation", die Erinnerung zu bewahren, über jeden Zweifel erhaben ist, und nur von folgenden Generation richtig (ein-) geschätzt werden kann, erschreckte das Produkt "The Last Days". Bei dieser Dokumentation zeigte sich die "Shoah Foundation" als Handelsmarke, die für ihr Produkt "Erinnerung" mit einem "Best of der Überlebenden" Werbung betrieb. Regisseur James Moll zeigte fünf Juden, welche die in Ungarn am besten organisierte und brutalste "Massenvernichtung" überlebten. In typisch amerikanischer Doku-Manier wurde Geschichte abgerissen. Das seine Wirkung nie verfehldende Grauen der Konzentrationslager als dramaturgischer Höhepunkt eingesetzt und eine Hymne auf die amerikanische Freiheit eingeflochten. Dabei kamen die Erinnerungen der fünf auserwählten Star-Überlebenden zu kurz, historisches Bildmaterial wurde bedenkenlos dramatisch-dekorativ eingesetzt. Daß solche Dokumentationen vor zehn Jahren nicht möglich waren, wie sowohl Spielberg als auch Moll behaupten, ist angesichts vieler, ehrlicherer und authentischerer Arbeiten wohl eine Schutzbehauptung. Nach diesem filmischen Debakel bleibt nur die Hoffnung, daß die "Shoah Foundation" ihrer Arbeit nicht nochmals mit solch spekulativen Produktionen selbst torpediert.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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