Smoking / No Smoking
Von Günter H. Jekubzik
Alain Resnais, der 72jährige Regisseur, läßt die "Zeitmaschine Kino" in seinem Zwillings-Filmen "Smoking" und "No Smoking" immer wieder zurück zur Ausgangssituation laufen, gibt ihr eine minimal andere Wendung und endet nach drei weiteren Knotenpunkten bei einer Hochzeit statt bei einem Begräbnis. Die erste Entscheidung fällt Celia Teasdale innerhalb von fünf Sekunden: Greift sie zum Glimmstengel oder nicht. Die nächsten Wendepunkte folgen fünf Tage, fünf Wochen sowie fünf Jahre später und führen zu insgesamt zwölf verschiedenen Enden. "Smoking" oder "No Smoking" heißt es denn auch für die Zuschauer - wenn sie sich nicht beide Filme ansehen und das insgesamt über vierstündige Spiel in seiner Gänze genießen wollen.
Nach dem noch komplexeren Bühnenstück "Intimate Exchanges" von Alan Aykbourn, das mit seinen acht Abenden wohl noch nie komplett aufgeführt wurde, gestaltete Resnais das sehr unterhaltsame Film-Experiment. Schon vor 33 Jahren löste der französische Regisseur mit "Letztes Jahr in Marienbad" Raum und Zeit im Kino auf. Während die junge amerikanische Hoffnung Quentin Tarantino zur Zeit sein Publikum in "Pulp Fiction" unvermittelt über gewagte Zeitsprünge stolpern läßt, geht Resnais in "Smoking / No Smoking" ordentlich zurück zum letzten Knotenpunkt und rollt von dort eine neue Version ab.
Weiteren Witz erhält die Komödie, die im Frühjahr den Silbernen Bären der Berlinale und in Frankreich gleich fünf Cesars erhielt, durch die Besetzung mit nur zwei Darstellern: Die außerordentlich begnadeten wie renommierten Sabine Azema und Pierre Arditi verkörpern in überzeugenden Masken sämtliche neun Figuren dieses heiteren "Zwölf-Enders". Die Theateratmosphäre bleibt erhalten, was bei den geschliffenen Dialogen kein Nachteil ist. Der Spaß über insgesamt viereinhalb Stunden beschränkt sich jedoch nicht allein auf die formalen Spielereien, auf die Neugierde, wie der nächste Ab- und Auftritt einer Figur in den betont künstlich gehaltenen Szenen gelingt. Dabei bleibt diese Technik beim konventionellen Repertoire des Boulevardtheaters, filmische Lösungen wie Doppelbelichtungen, Doubles oder gar Computertricks tauchen nicht auf.
Wie bei selbstgedrehten Zigaretten montieren sich die Zuschauer selbst die Form des ungefiltertem Vergnügens. Jede Reihenfolge ist möglich, interaktiv ergibt sich ein sehr langer Film oder zwölf wie Puzzlestücke zueinander passende Geschichten. Im raucherfreien Movie ein Genuß ohne Schadstoffe, nur einige Erinnerungen könnten sich festsetzen sowie Nachdenken über das Erzählen und die Zeit.
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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