ghj-logo

Schwarze Katze, weißer Kater

BRD/Fr./Jugoslawien 1998, Regie Emir Kusturica, 130 Min. mit Bajram Severdzan, Srdan Todorovic, Branka Katic, Florijan Ajdini. FSK ab 12

Sie hausen an den Ufern der Donau und warten auf russische Frachter, mit denen dann im Vorbeifahren eifrig Handel auf DM-Basis getrieben wird. Aber nicht nur eine frisch erstandene Waschmaschine fällt ins Wasser, auch das Benzin erweist sich als dünne Brühe. Und als der tolpatschige Zigeuner Matko (Bajram Severdzan) dann das ganz große Geschäft machen will, geht es so richtig den Bach runter: Für einen ganzen Güterzug voller Benzin leiht Matko sich das Geld beim Großgangster Dadan (Srdan Todorovic), der ihm aber den ganzen Schmuggelzug ganz schnell wieder abluchst. Als Entschädigung soll der betrogene Betrüger auch noch seinen Sohn Zare (Florijan Ajdini) mit Dadans schwer vermittelbarer Schwester Ladybird verheiraten. Der Junge flirtet jedoch schon eine Weile mit der sehr netten Kellnerin Ida (Branka Katic) von nebenan. Um das wilde Treiben auf einen - vorläufigen - Höhepunkt zu bringen, stirbt der zur Finanzierung des gesamten Projekts schon toterklärte Großvater Zarije (Zabit Memedov) tatsächlich und muß aus Pietätsgründen heimlich auf Eis gelegt werden: Man heiratet halt nicht kurz nach einem Todesfall.

Es wird in der groben, burlesken Komödie noch weitere Scheintote geben und die einfache Vermählung steigert sich irgendwann zu einer Doppelhochzeit. Dabei rennen die zahlreichen authentischen Laiendarsteller ebenso wild wie die Gänse durchs reizvoll ländliche Bild. Die lebendigen Zigeunergeschichten und -musiken zeigen ihr breites Lachen mit schiefen Goldzähnen. Zwischen mehreren Lagen glänzenden Schmucks und Unmengen Kitsches jeder Art erstrahlen die so hemmungslos frei wirkenden Zigeuner. Jenseits aller politischen korrekten Bezeichnung führt Kusturica Diebe und Zigeuner als vitale Karikaturen vor. Der gerissene Pate Grga Pitic (Sabri Sulejmani) rast mit seinem motorisierten Rollstuhl durch die Story und bremst nur für die x-te Wiederholung von Casablanca ab, für die er auch richtige Tränchen zerdrückt. Die Verfolgung der fliehenden Braut ist reiner Slapstick mit einem Hauch Stummfilmpoesie. Der Flirt der jungen Liebenden Zare und Ida atmet den Charme sozialistischer Sommerfilme.

Kusturica, der von seinem Ausflug in die USA "Arizona Dream" mitgebracht hatte, wollte nach der wilden und düsteren Kriegs-Historie "Underground" nun angeblich bei "Time of the Gypsies", seinem ersten großen Erfolg anknüpfen. Fabel-haft im Sinne eines wilden Fabulierens, Fressens und Feierns ist "Schwarze Katze, weißer Kater" geworden. Wer im Schwarzen und Weißen etwas Bedeutungsvolles, etwa eine politische Parabel des Landes oder der Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien erwartet, wird durch sein eigenes Schwarzweiß-Schema enttäuscht. Kusturica wollte zuerst die dokumentarische Geschichte einer Hochzeitsband auf der Leinwand beleben. Mit unzähligen Episoden uferte sie dann zu diesem über zweistündigen Filmvergnügen aus. Von der Realität der Region erzählt hingegen der absurd brutale, erschreckende "Bure Baruta" (Pulverfaß) von Goran Paskaljevic, der trotz vieler internationaler Preise (z.B. des Kritikerverbandes FIPRESCI) bislang keine Chance hat, in deutsche Kinos zu kommen.

Ausgezeichnet wie alle Kusturica-Filme wurde auch "Schwarze Katze, weißer Kater" - diesmal mit dem Silbernen Löwen für die Beste Regie 1998 in Venedig. Es sei für den Regisseur, der nach der harten Kritik am Meisterwerk "Underground" nie mehr Filme machen wollte, wieder ein unbedarfter Anfängerfilm. Vielleicht ist der einseitig burleske "Schwarze Katze, weißer Kater" aber auch das Ende einer bislang wunderbaren Freundschaft mit den poetisch-verrückten Filmen des Serben.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo