Schindler's Liste

USA 1993 (Schindler's List) R: Steven Spielberg, 188 Min.

Wenn es barbarisch ist, nach Ausschwitz ein Gedicht zu schreiben, läßt sich dann ein Film über Ausschwitz machen? Ähnlich wie bei "Philadelphia" ist auch bei "Schindler's Liste" nicht die Frage zu stellen, ob zum Beispiel Alain Resnais erschütternde Dokumentation "Nacht und Nebel" oder Claude Lanzmanns "Shoah" den Holocaust adäquater vermitteln. "Schindler's Liste" wird ein riesiges Publikum erreichen und mit den Mittel des gemäßigten Erzählkinos historische Wahrheiten verteidigen.

Seine Geschäfte betreibt Oskar Schindler (Liam Neeson) hart und energisch - zuerst für seinen eigenen Reichtum, dann zur Rettung 'seiner Juden'. Nur weil sie billiger als Polen sind, stellt er Juden aus dem Krakauer Ghetto ein, die durch dieses ökonomische Prinzip nebenbei vor der brutalen Willkür der SS-Truppen geschützt werden. Der Unternehmer Schindler, der seine Fabrik, sein Kapital und seine Arbeitskraft von den Juden erhielt, ändert seine harmlos passive Haltung erst als auch sein jüdischer Buchhalter Stern (Ben Kingsley) ins Konzentrationslager kommt. Nun steigern sich die kleinen Rettungen auf die Insel des Schindlerschen Betriebes bis zur wagemutigen Verlagerung von über Tausend dem sicheren Tod geweihten KZ-Insassen. Dabei wandelt sich der zwiespältige, ja sogar skrupellose Lebemann und Frauenheld zur hellen Lichtgestalt vor den Augen seiner bei Kriegsende geretteten Arbeiter. Schindlers ihm äußerlich sehr ähnlicher Gegenpart ist der Lager-Leiter Amon Göth (Ralph Fiennes). Der Name und Göths Klavierspiel erinneren an den deutschen Widerspruch zwischen goethischer Kultur und barbarischem Völkermord. Mit fettem Bauch erschießt der Nazi wahllos Menschen vom Balkon seiner über dem KZ liegenden Villa. Seine willkürliche Lust am Töten steht der rationalen Kühle des Retters Schindler entgegen - ein auffällige Umkehrung des Stereotyps einer perfekt geplanten deutschen Tötungsmaschinerie.Steven Spielberg setzte den Tatsachenroman von Thomas Keneally stilistisch sehr elegant zu einem perfekten Film um. "Schindler's Liste" ist nicht nur rundum gelungen, auch sehr viele Einzelszenen haben eine über sie hinausweisende Stärke, die selten im Kino zu finden ist.

Seit seinem Start am Mittwoch (in Deutschland mit vorsichtigen circa 150 Kopien) sorgte der Drei-Stunden-Film überall in Europa für Gesprächsstoff. Die Kritiken überschlagen sich vor Begeisterung, an emotionalen Superlativen wird nicht gespart. Allerdings stellten sich nach dieser ersten Euphorie in den USA auch kritische Stimmen ein. So soll eine Szene, in der sich die vermeintliche Gaskammer nach schrecklich angstvollen Minuten für die hereingetriebenen Frauen tatsächlich als Duschraum erweist, Wasser auf die Mühlen der rechten Holocaust-Leugner sein. Doch ansonsten läßt der ergreifende Film keinen Zweifel an dem historischen Faktum mehrerer Millionen ermordeter Juden.

Bei der Verleihung der "Golden Globes" wurde "Schindlers Liste" für den besten Film, den besten Regisseur und das beste Drehbuch des Jahres ausgezeichnet. Sicherlich kann sich Spielberg mit Oskar (Schindler) endlich seinen ersten 'Oscar' verdienen, aber vielleicht ist es ihm dieser sehr späte Triumph jetzt tatsächlich nicht so wichtig. Spielberg ist selber Jude ist und viele seiner Verwandten starben in Polen.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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