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Die schwarze Schwalbe

Bulgarien 1996 (Tschernata Ijastoviza) Regie Georgi Djulgerov

begeisterte mit einer prallen, lebendigen Geschichte einer jungen, bulgarischen Zigeunerin. Ihr wechselhaftes Lebensabenteuer verläuft märchen- und fabelhaft, dann auch wieder sehr realistisch und jetztzeitig. Die schöne Magdalena steht nicht nur zwischen vier Männern, auch zwischen den Nationalitäten und Volksgruppen. Die von ihr ausgelöste Leidenschaft macht eine stummen Narren sprechend, einen toleranten Bulgaren zum Rassisten und einen reichen Zigeunersohn zum Narren. Ein märchenhafte Filmreise verbindet sich mit einem nicht nur in Bulgarien notwendigen Plädoyer für Toleranz: "Es kommt nicht darauf an, woher du kommst, sondern, was in dir ist und wer du bist."

Schon das Gemälde des Vorspanns erzählt von Märchen, verwandelten Schwänen, Rittern und schönen Frauen. Heimlich schleicht sich Magdalena auf dem lebendigen, bunten Brautmarkt der Zigeuner, doch schnell wird sie auserwählt, der Preis an die Eltern gezahlt und die Hochzeit wäre geregt ... Wenn da nicht plötzlich eine Schwalbe auftauchte, wild umherflatterte und sich auf Magdalenas Schulter setzen würde. (siehe die Hochzeit in "Der Bienenzüchter" von Angelopulos) Dieses Zeichen läßt alle verstummen und das Mädchen folgt ihrer fliegenden Botin. Fahrende Zigeuner führen sie zu einer Schlucht, in der ein verwilderter, stummer Mann namens Halybriamov unter Tieren lebt.Magdalena wird ihn scheren und in die Gesellschaft zurückführen, sie wird auch den reichen Sohn Kanyos zu einem rettungslos Verliebten machen, von einem weiteren Jüngling entführt werden und vielleicht einige Wunder bewirken. Die Tiere bleiben an ihrer Seite, der Schäferhund (Takowskij?) fungiert als Bote zwischen Magdalena und Halybriamov. Auch eine goldene Uhr geht ihren Weg. Geld ist immer präsent, ebenso wie das Vorurteil, die Zigeuner würden es klauen. Dabei wird Magdalena selbst von Hütchenspielern ausgenommen.

Die Trennung zwischen den Volksgruppen ist offensichtlich - es werden in diesem Film und diesem Land zwei Sprachen gesprochen - und auch die Sprachlosigkeit ist zu hören. Der Turm von Babel steht als Metapher im Bild, der witzige Bulgare Lilianin erzählt mit ihm seine aufgeklärte, humanistische Philosophie. Doch der Moment, der Halybriamov die Sprache wiedergibt, läßt Lilianin verstummen. War es die Liebe zu Magdalena, die dies Wunder möglich machte? Lilianin jedenfalls haßt nun die Zigeuner, gibt ihnen die Schuld an seinem Leid und taucht bald als glatzköpfiger, uniformierter Rassist mit einer Horde Schläger im Gefolge auf.

Der Film zeigt die Schwierigkeiten bei seiner Herstellung nur an einigen Sprüngen in der Kontinuität. Georgi Djulgerov, der Regisseur, gestand, daß er vor dem Film die gleichen Vorurteile gegenüber Zigeunern wie alle Bulgaren hatte. Obwohl Bulgarien im Mittelalter einen Sammelpunkt für Zigeuner bildete, bilden sie heute eine abgeschlossene Gruppe innerhalb der Gesellschaft - eine gefährliche Situation meint Djulgerov. Zwar enthält der Film einen schönen Moment der Versöhnung, doch am Ende bleibt nach blinder Gewalt nur die Flucht ins Fabelhafte.

Die Zeugenaussage einer Zigeunerin gab die Initialzündung für diesen außergewöhnlichen Film. Aus den Fabeln eines bulgarischen Dichters stammen die Tiere. In Bulgarien selbst, wo der Film bei der deutschen Premiere seit drei Wochen lief, fand er kaum Zuschauer, was Djulgerov auch auf die finanzielle Situation der Bevölkerung zurückführt.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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