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Die Siebtelbauern

Österreich 1997 (Die Siebtelbauern) Regie und Buch Stefan Ruzowitzky, 90 Min.

"Die Siebtelbauern" - ein Heimatfilm und doch keiner: Das nicht besonders zeitgemäße Genre Heimatfilm begeistert hier als kluger, fesselnder und moderner Alpen-Western. Nachdem ein oberösterreichischer Bauer mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden wurde, erben seine sieben Knechte und Mägde zwischen den Weltkriegen seinen Hof. "Ein Knecht kann nicht Bauer werden" steckt als Naturgesetz in den Köpfen, vor allem in denen der feisten Bauernschaft. Doch langsam dämmert den Geknechteten unter Anführung der Emmy (Sophie Rois) und des Lukas (Simon Schwarz) ihre Chance. Sie kippen nicht nur die Herrschaftsverhältnisse um, sie erproben auch Sozialismus, Demokratie und Gleichberechtigung, steigern den Ertrag, indem sie die Kühe so stellen, wie diese es mögen, und bringen sich unter der Anleitung Severins (Lars Rudolph) zwischen doppelten Arbeitsschichten auch noch das Lesen und Schreiben bei. Sogar der kleine Hirtenbub kann in Freiheit plötzlich reden.

So ist dieser "Heimatfilm" nicht mehr der romantisierte Hort der Reaktion, den er nach Kriegsende für lange, brachliegende deutsche Kinojahre bot. Statt einlullend vom Silberwald zu rauschen, packen "Die Siebtelbauern" mit ihrer Nähe zum Heute und Gestern, mit Einblicken in Strukturen, die uns noch vertraut sind. Wenn auch tatsächlich nur vom Western, dessen flammender Kampf um ein eigenes Stück Land und Freiheit universell gilt.

Der sensationelle Film vom 1961 geborenen Stefan Ruzowitzky präsentiert eine begeisternde, sagenhafte Utopie, die vor Bild- und Bewegungskraft strotzt. Eine Reihe von Sensen mäht in leichtem Zeitraffer durch das hohe Gras. Der Weg einer Nachricht schneidet sich graphisch der Länge nach in ein Feld ein. Stilleben der Früchte eines guten Jahres deuten in Barocktradition schon Vergänglichkeit und nahendes Ende an. Thema und die exzellente Form verknüpfen sich vielfältig. So teilen sich die Siebtelbauern nicht nur den Hof, auch die Erzählposition der Off-Stimme wechselt unter ihnen.

Die angestammten Bauern unter der Führung von Danninger (packend ekelhaft: Ulrich Wildgruber) und dem entmachteten Großknecht (Tilo Prückner) setzen diesem bedrohlichen Fest der Freiheit brutale Gewalt und Lynchjustiz entgegen. So endet diese Utopie tragisch, genau wie eine andere alte Geschichte, die sich im Laufe der packenden Handlung enträtselt. Als einzige Hoffnung bleibt Amerika, das jedoch in der Form des blutigen Finales als Gruß aus Hollywood ganz unauffällig schon da ist. Doch auch aus dem Heimatfilm ist sie bekannt, diese Brutalität der (menschlichen) Natur.

So wie die Volksmusik mit neuen Instrumenten und Themen wieder einen Sinn macht, gibt der Österreicher Stefan Ruzowitzky dem Heimatfilm mit "Die Siebtelbauern" ein neues Gesicht. Sein Alpenwestern bietet genau das, was immer als Gegengift zu Hollywood gefordert wird: Eigene Geschichten mit handwerklicher Brillanz inszeniert. Der Regisseur sieht den Genrefilm als besten Rahmen für große Gesten: Landschaft, Architektur, Gesichter - das paßt alles.

"Die Siebtelbauern" gewannen den Filmpreis des Saarländischen Ministerpräsidenten für die beste bundesdeutsche Erstaufführung des Saarbrücker Max Ophüls-Festivals 1998. Sein Hauptdarsteller Simon Schwarz wurde mit dem Max Ophüls Preis als bester männlicher Hauptdarsteller ausgezeichnet. Schon 1997 erhielt Stefan Ruzowitzky für seinen letzten, ganz anderen Film "Tempo" den Max Ophüls Preis.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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