Quills - Macht der Besessenheit

USA 2000 (Quills) Regie Philip Kaufman, 123 Min.

Zärtlich berühren Hände einen Frauenhals, sie windet sich, die Kamera gleitet langsam zurück und wir sehen, dass der Henker den Hals für die Guillotine freilegt. Ein klasse Kurzfilm, Applaus und schnell raus aus dem Kino. Denn was danach unter dem Titel "Quills - Macht der Besessenheit" kommt, ist das Grauen!

Der Marquis de Sade (Geoffrey "Shine" Rush) lümmelt in seiner letzten Heimstätte, einer Heilanstalt, herum. Napoleon herrscht mittlerweile und auch unter dessen Regime muss sich der Schriftsteller verstecken. Diesmal unter den Geisteskranken. De Sade, der Schriftsteller? Nein, dieser de Sade wird eingeführt als Lüstling, eher ein Pornograph als ein Autor. Kein Mensch, nur eine überzogene Karikatur. Gerade begeistert sich das Volk über die drastischen Szenen von de Sades aus der Anstalt geschmuggelten Romans "Justine", da rückt auch schon der böse Folter-Arzt Dr. Royer-Collard (Michael Caine) an, den unverbesserlichen Schmutzfink zu heilen. Es ist schnell klar, dass Royer-Collard selber Lüstling ist, der seine junge Frau Simone aus einem Konvent abholt und sie dann für rohes, egoistisches Vergnügen bei sich eingesperrt. Um es vorweg zu nehmen: Der Doktor wird nicht viel tun, es kommt nicht zu einer Auseinandersetzung von Freizügigkeit und falscher Moral. De Sade ist ein derart dummer, unkultivierter, kindischer Dickkopf, dass er sich selber hinrichtet. Nachdem man ihm die Federn - engl. Quills - wegnimmt, schreibt er mit Wein und Hühnerknochen auf seine Bettdecke, dann im leeren Raum mit eigenen Blut auf die dreckigen Kleider und schließlich - nackt und in Ketten - mit Kot auf die Kerkerwände. "Tod aus ungeklärter Ursache" heißt es später in der Biographie.

Regisseur Philip Kaufman filmt weiterhin verzweifelt seinem Erfolg "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" hinterher. Auch die Hemingway-Episode "Henry & June" war unerträglich, nur "Die Wiege der Sonne" konnte sich von dem Verquarken literarischer Vorlagen absetzen. "Quills" zeichnet sich durch grobe Physiognomien und Figuren, sowie zerlumpte Gestalten aus. Der verquere Film scheint zuerst die Macht des Lesens, der Fiktion zu propagieren. Dann sagt er uns, dass falsch verstandene Literatur böse Folgen hat und Kate Winslet dabei untergehen muss. Allerdings in einer so depperten Argumentation, dass ich als deutschen Titel für "Quills" nur Quark vorschlagen kann. Erst die aberwitzigen Wendungen des Epilogs hinterlassen den Eindruck, dies wäre eine gute Kurzgeschichte gewesen. Letztlich vertreibt der böse Doktor Sades Werk im Eigenverlag und der gutmütige Priester (Joaquin Phoenix), dem man die Bedrohung durch de Sade nie abgenommen hat, ist der wirklich Perverse, der wie einst de Sade um Feder und Papier bettelt. Die Geschichte geht weiter, aber der Film war schon viel zu lang.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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