Zu leicht befunden?

Zum 20.Todestag des Komponisten Peter Kreuder

Seinen Namen kennt kaum noch jemand. Seine Lieder kann jedoch fast jeder mitsummen: Der Gassenhauer "Ich wollt, ich wär' ein Huhn ...", Hans Mosers "Sag beim Abschied leise Servus" , Marika Roekks "Ich brauche keine Millionen" oder Hans Albers' "Good bye Jonny" klingen selbst bei jüngeren Generationen noch an und werden immer wieder neu aufgeführt. Der Komponist Peter Kreuder schrieb seit den 30er Jahren hunderte Evergreens und Musik für fast 200 Filme. Liegt es am zu leichten Genre des Schlagers oder am eifrigen musikalischen Unterlegen eskapistischer Filmchen, dass Kreuder zwar gesungen, aber nicht wahrgenommen wird? Am 28. Juni war der Ýzwanzigster Todestag dieser schillernden Figur aus der Welt der musikalischen Unterhaltung.

Schon seine Geburt will Stoff einer der leichten Musikspiele sein, die er in späteren Jahren komponierte: Am 18. August 1905 wird Peter Paul Kreuder von Margarethe Kreuder in der Garderobe des Stadttheaters Aachen geboren, während sein Vater, der Kammersänger Peter Kreuzer, auf der Bühne Wagner schmettert. Mittlerweile hat sich diese schöne Geschichte zwar als von Kreuder fleißig gepflegte Legende erwiesen, doch sie passt zu einem "Leben als Anekdote in Fortsetzung", wie Wolfgang Richter in einem Essay über Kreuder schrieb. Der Weg des musikalischen Wunderkindes setzte sich sagenhaft fort: Mit drei Jahren erhält Kreuder in Berlin ersten Musikunterricht, als Sechsjähriger tritt er erstmals auf. Sein Studium schließt er 1924 mit einem Examen als Komponist, Dirigent und Pianist an der Münchener Akademie der Tonkünste ab. Nach Engagements als Musikleiter auf mehreren Bühnen schrieb er 1931 mit 25 Jahren zu "Peter Voss, der Millionendieb" (Regie: E. A. Dupont) seine erste Musik für einen Tonfilm.

Kreuder selbst berichtet von Treffen mit Marlene Dietrich, die 1928 noch Magdalena von Losch hieß. Glaubt man seiner Autobiographie, war er es, der die Dietrich zu ihrer Rolle im "Blauen Engel" brachte. Zusätzlich spielte er die Filmmusik ein und gab einen Pianisten im Hintergrund. Den Durchbruch zum internationalen Erfolg brachte ihm die Filmmusik zu "Mazurka" mit Pola Negri. Wie andere Komponisten arbeitete er bald in der neuen Funktion des (Film-) Studiomusikers, wird zu den "Big Five" (mit Werner Bochmann, Theo Mackeben, Michael Jary und Franz Grothe) gezählt, die maßgeblich für den deutschen Tonfilm der 30er und 40er Jahre komponierten.

Der Tonfilm kam wie bestellt und selbstverständlich war umtriebige Kreuder dabei. Die Wilden Zwanziger prägten ihn, er saugte in Berlin die vielfältigen Angebote einer äußerst lebendigen Kultur auf. Der lebenslustige Musiker reiste als Dirigent mit einem Zirkus-Orchesters durchs Land bis ihn ein gehörnter Ehemann verjagte. In Hamburg hatte Kreuder früh Kontakt mit dem literarischen Kabarett des Etablissements "Jungfrau" im Umkreis von Gustaf Gründgens, Erika Mann, Ringelnatz und Erich Mühsam. Schon 1920 hatte er an der Alster Jazzeinlagen für eine bemerkenswerte Räuber-Inszenierung von Erich Ziegler komponiert. Dem Jazz bleib Kreuder gewogen, auch als unter diesem Begriff vieles vom Nazi-Regime verfolgt wurde. Die amerikanisierte Screwball-Geschichte "Glückskinder" (1936) spielte noch mit Jazz-Songs auf. Wie andere Orchesterleiter arrangierte Kreuder verbotene amerikanische Hits als "deutschen Tanzmusikstil", hatte mit einem seiner Orchester und »Karawane« 1937 einen Schallplattenhit, der »Caravan« von Duke Ellington kopierte. (Eine Gradwanderung wie bei den Comedian Harmonists, die auch Peter Kreuders "Ich wollt, ich wär ein Huhn" sangen.) Die Arisierung der Unterhaltungsmusik hatte so ebenfalls deutlich ökonomische Aspekte.

Inwieweit sich Kreuder gegen die Inanspruchnahme durch Goebbels Unterhaltungs-Propaganda gewehrt hat, bleibt in den Berichten undeutlich: 1939 nutzte er eine Konzerttournee durch Skandinavien zur Emigration nach Schweden. Nach einer Zwischenlandung auf dem Rückweg aus der Schweiz wurde er jedoch 1942 festgehalten und gezwungen, musikalische Untermalung für die "stählerner Romantik" (Goebbels) zu komponieren. Wie sich populäre Melodien umkehren können, zeigt die subversive Variante zu "Ich brauche keine Millionen", die an den Fronten beliebt gewesen sein soll: "Wir brauchen keine Kanonen, uns fehlt kein Weltkrieg zum Glück, Wir wollen weiter nichts als nur zurück, zurück, zurück."

Musikalisch auffällig in dieser Zeit ist der experimentelle Dokumentarfilm "Das Stahltier" (1935) Willy Zielkes, der durch Zensur des Propagandaministeriums erst nach 1945 zur Aufführung kam. Der im gleichen Jahr 1935 entstandene Historienfilm "Das Mädchen Johanna" (Regie Gustav Ucicky, 1935) bekam hingegen das Siegel "staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll" und wurde 1945 prompt von den Alliierten verboten. Das gleiche erlebte auch der Soldatenkrimi aus dem 1.Weltkrieg "Dreizehn Mann und eine Kanone". Staatstragend auch Leni Riefenstahls Wehrmachts-Huldigung "Tag Der Freiheit: Unsere Wehrmacht" (1935). Ansonsten "komödiantische Nichtigkeit" in Serie, wie schon die Titel verdeutlichen: "Es lebe die Liebe" (1943), "In flagranti" (1944) oder "Es fing so harmlos an" (1944).

Abgesehen von diesen bekannten Analysen des Mitläufertums gilt die Vernachlässigung der "Leichten Muse" auch für Kreuder. Der Musiker hat selbst eifrig dazu beigetragen, dass sich sein Leben leicht in Anekdoten erzählen lässt. Seine beiden Autobiographien "Schön war die Zeit" (1955, mit E. Ebermayer verfasst) und "Nur Puppen haben keine Tränen" (1972), sind von schillernden (Frauen-) Geschichten angefüllt. Was seine als so leicht befundenen Liedchen im Ohr der Menschen hielt, wäre jedoch einer genaueren Betrachtung wert. Analysen seiner Kompositionen sind nicht zu finden.

Zum Kriegsende ist Kreuder in Österreich, ruft direkt Musikfestspiele ins Leben und komponiert für Österreichs erstem Nachkriegsfilm "Das singende Haus" mit Hannelore Schroth, Hans Moser und Curd Jürgens. 1947 folgt er Evita Perron nach Südamerika, wird musikalischer Leiter mehrerer Radiosender, schreibt eine Sinfonie und schreibt weiter für den Film. 1955 wieder in Europa, tourt er mit Josephine Baker, erlebt die Uraufführung seiner Musicals "Madame Scandaleuse" mit Zarah Leander und "Bel Ami" mit Johannes Heesters. Eine weitere originelle Geschichte fügt sich in das Bild einer vergessenen Existenz: Die ersten zehn Töne der von Hanns Eisler 1949 komponierten DDR-Hymne ähneln "Good bye Jonny", dem Hans Albers-Song aus "Wasser für Canitoga" zum Verwechseln. Zwar bekam Kreuder auf einem langen Weg durch die Gerichte bis hin zur Urheberrechtskommission der UNO kein Recht, aber bei einem Konzert in der DDR erhoben sich 1976 die Zuschauer staatstreu von den Sitzen - als "Good bye Jonny" erklang! Nach 1954 schrieb er nur noch sporadisch für den Film. Es folgen noch einige Reisen rund um die Welt, doch zuletzt bezeichnet sich der "in Aachen geborene Kölner, der in Hamburg aufgewachsen war und Berlinerisch sprach" (Kreuder) als Österreicher. Schon lange wird "Sag beim Abschied leise Servus" als zweite österreichische Nationalhymne bezeichnet. Wenige Tage, nachdem ihm die Nachricht von Zarah Leanders Tod erreicht, stirbt Peter Kreuder am 28. Juni 1986

Eindrucksvoll an Kreuders Schlager-Karriere ist die ungeheure Produktivität. Er komponierte ständig. Seltener am Piano, aber auf jedem Stückchen Papier eine neue Melodie. 188 Filmmusiken , www.IMDb.com verzeichnet nur 42 davon, das "Lexikon des Internationalen Films 45. Über 4300 Konzerte sind verzeichnet. Hinzu kommen 11 Musicals, eine Oper, fünf Operetten und 2314 Schallplatten. ... Musik Musik Musik ... Letztendlich erweist sich einer dieser so belanglosen Schlager doch wieder als Träger tieferer Wahrheiten. Es blieb von Peter Kreuder im öffentlichen Bewusstsein, nur die Musik. Genau wie es sein Schlager aus "Hallo Janine" (1939) beschrieb: "Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück, ich brauche weiter nichts als nur Musik Musik Musik." Aber das ist ja nicht das Schlechteste für einen Komponisten.

www.peterkreuder.com


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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