Pabst-Retrospektive

Georg Wilhelm Pabst zählt neben Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau zu den großen drei Regisseuren der Zwanziger Jahre, des Stumm- und des frühen Tonfilms. Doch ein weiter Teil seines Schaffens ist unbekannt. Die groß angelegte Pabst-Retrospektive zeigt zur Berlinale sein gesamtes Werk bis auf zwei verschollene Stummfilme. Neben Rekonstruktionen seiner bekanntesten Filme wie "Die freudlose Gasse" (1925), "Geheimnisse einer Seele" (1926), "Die Büchse der Pandora" (1928), "Tagebuch einer Verlorenen" (1929), "Westfront 1918" (1930), "Kameradschaft" (1931) und "Die Dreigroschenoper" (1931) bietet sie auch Gelegenheit zur Neubewertung späterer Schaffensphasen. Gleichzeitig erschien vom Herausgeber und Retro-Organisator Wolfgang Jacobsen im Argon-Verlag ein umfassender, 360-seitiger Begleitband.

Der 1885 geborene Österreicher Pabst beginnt seine Karriere 1902 als Theaterschauspieler auf Bühnen in Wien, in der Schweiz und in Deutschland. Seit 1910 spielt er in den USA und übernimmt 1912 erstmalig die Regie. Nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges versucht Pabst nach Europa zurückzukehren, sein Dampfer wird von einem französischen Kriegsschiff aufgebracht und Pabst gerät als feindlicher Österreicher in eine vierjährige Gefangenschaft. Im Lager bei Brest organisiert er eine Gefangenenbühne.

Nachdem er 1921 für "Im Banne der Kralle" das erste und einzige Mal vor der Kamera stand (um sich in die Filmschauspieler einfühlen zu können), kommt er über Regieassistenz und Drehbuch 1922 als 37-jähriger zu seiner ersten Regie: "Der Schatz". Pabsts großer Durchbruch gelingt 1925 mit dem melodramatischen Inflationsfilm "Die freudlose Gasse". Asta Nielsen und Greta Garbo spielen in der damals schockierenden Entblößung gesellschaftlicher Zwänge. Ein grober Metzger (Werner Krauß) verkauft sein Fleisch nur an Kundinnen, die auch ihr Fleisch anbieten. "Die freudlose Gasse" machte Pabst zum "realistischen Regisseur".

Die sozialen und völkerverbindenden Aspekte in seinen Vorkriegsfilmen gaben ihm auch den Namen "Roter Pabst". In "Kameradschaft" reißen deutsche und französische Bergarbeiter bei der gemeinsamen Rettungsaktion unter Tage die Grenzen nieder. "Westfront 1918" - Pabsts erster Tonfilm - stieß mit seiner Pazifistischen Haltung bei linken (Rote Fahne) wie rechten Blättern (Völkischer Beobachter) auf heftige Ablehnung und wurde 1933 von den Nazis sofort verboten.

Bis 1939 dreht Pabst in Frankreich. Daß er bei Ausbruch des Krieges 1939 nicht mehr das Reichsgebiet verlassen konnte (oder wollte?), stellte seine beiden Filme, die unter der Diktatur entstanden ("Komödianten" 1941 und "Paracelsus" 1943), in ein braunes Licht. Mit intensiven Drehbuchbearbeitungen "drückt" sich Pabst vor dem Realisieren von weiteren Filmen. Auch "Der Fall Mollander" blieb unvollendet und kam bis Kriegsende nur zum Schnitt.

Sein größtenteils humanistisch bestimmtes Werk nach 1945 ist kaum bekannt. Pabst blieb in Wien, drehte aber mit deutschen und italienischen Produktionen. "Der letzte Akt" (1955 mit Oskar Werner) konzentriert den Wahnsinn von Krieg und Nationalsozialismus auf die letzten Stunden im Führerbunker. "Es geschah am 20. Juli" (1955) handelt vom gescheiterten Hitler-Attentat der Stauffenberg-Gruppe. Bis 1956 entstehen aber auch einige "Brotarbeiten" wie zuletzt "Rosen für Bettina" und "Durch die Wälder, durch die Auen". Diabetes und die Parkinsonsche Krankheit beenden seine Arbeit. G.W. Pabst stirbt am 29. Mai 1967 in Wien und wird in einem Ehrengrab der Stadt beigesetzt. (ghj)


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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