Ein langer, stiller Abschied

Von Günter H. Jekubzik

Maria Schell war einer der wenigen wahren deutschsprachigen Stars des internationalen Kinos. Mit "Die letzte Brücke" und "Gervaise" wurde sie 1954 in einem Jahr "Beste Darstellerin" in Cannes und Venedig - das war einmalig! Psychische Probleme zwangen die Österreicherin seit den Neunzigern zu einem frühen Rückzug aus der Öffentlichkeit, ihre letzten Jahre verbrachte sie in ihrer Kärntner Familienalm, wo sie am Mittwoch im Alter von 79 Jahren verstarb. Sie erholte sich nicht mehr von den Folgen einer Lungenentzündung.

Die ungemein beliebte Schauspielerin drehte über hundert Kino- und Fernsehfilme, spielte auch immer wieder auf der Bühne. Maria Schell wurde am 15. Januar 1926 in Wien geboren, das Schauspielen lag in der Familie, schon die Mutter übte dieses Fach aus, der Schweizer Vater war Dramatiker. Auch die jüngeren Geschwister Maximilian, Immy und Carl werden später vor der Kamera stehen. Mit ihrem ebenso berühmten und erfolgreichen Bruder Maximilian hatte sie zeitlebens ein besonders inniges Verhältnis.

1938 zog die Familie in die neutrale Schweiz. Mit sechzehn Jahren war Maria als Gritli Schell in dem Schweizer Dialekt-Drama "Steinbruch" erstmals auf der Leinwand zu sehen. Danach nahm sie in Zürich Schauspielunterricht. Den ungeliebten Spitznamen "Seelchen" handelte sich Maria in den Fünfzigern durch ihre Rollen in einigen Melodramen ein. Aber auch ihr unschuldiger Blick, die Nähe zum Tränenfluss, der auch das Publikum mitriss, nährte die Popularität. Der Antikriegsfilm "Die letzte Brücke" brachte 1954 endgültig den internationalen Durchbruch. Für zwanzig Jahre spielte sie nicht nur neben ihrem Leinwandpartner O.W. Fischer sondern auch neben Gary Cooper, Marcello Mastroianni, Marlon Brando, Yul Brunner und Romy Schneider in Filmen wie "Superman" oder "Die Spaziergängerin von Sanssouci". Sie erhielt die Goldene Palme, den "Volpi" von Venedig, den Deutschen Filmpreis sowie das Bundesverdienstkreuz. Gleich neunmal den Bambi, zuletzt 2002 für ihr Lebenswerk, es war ein letzter bewegender Auftritt in der Öffentlichkeit.

Ihr Bruder Maximilian verfolgte den steilen Aufstieg mit Sorge: "Bei jedem Star ist eine Tragödie vorprogrammiert", man selbst sei ja nur ein einfacher Mensch, aber die Welt mache einem zum Idol. Diese Diskrepanz zu überwinden, schaffe kein Mensch. Zwei Ehen scheiterten, ihr erster Ehemann (1957-65) war Regisseur Horst Hachler, 1966 heiratete sie den Regisseur Veit Relin. Die gemeinsame Tochter Marie-Therese Relin wurde ebenfalls Schauspielerin. Finanzielle Ausschweifungen mit folgendem Ruin sowie Depressionen waren der Preis für den Erfolg der Maria Schell. 1991 versuchte sie sich mit Tabletten das Leben zu nehmen.

Eine letzte, sehr anrührende Begegnung mit Maria Schell gab es 2002 in der intimen Dokumentation "Meine Schwester Maria", die Maximilian Schell drehte. Wie schon in seinem Porträt "Marlene" (1984) nähert er sich der von Krankheit und Alter gezeichneten Frau sehr vorsichtig. Lange ist ihr Gesicht nicht zu sehen, doch manchmal taucht noch ihr charakteristisch weiches Lächeln auf. Maximilian fragt sie sanft und gleichzeitig streng "Willst du leben oder sterben?" Wenn sie leben wolle, müsse sie raus vors Haus in den Schnee. Einen täglichen Gang wenigstens bis zur Kapelle. Die schwarze Gestalt, die langsam im Nebel verschwindet, gesellt sich als letztes zu den vielen eindrucksvollen Bildern einer bemerkenswerten Künstlerin.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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