30 Jahre VHS-Film

Lucrezia Hartmann - Jubiläum und Abschied

Von Günter H. Jekubzik

Hast du den gesehen? Der macht das genauso wie damals der ... Wann immer sich Filminteressierte in Aachen begeistern und der Horizont etwas weiter als die aktuellen Kassenhits reicht, ist die Chance groß, dass sie ihr Wissen Dr. Lucrezia Hartmann verdanken. 30 Jahre lang brachte sie als Programmverantwortliche der Volkshochschul-Abteilung Kulturelle Bildung unzählige Filme nach Aachen, die oft nur in Großstädten mit Filmmuseen wieder zu entdecken sind. Nun ging sie in den Ruhestand und die Zukunft der VHS-Filme ist unklar.

Nach dem Studium in Tübingen, Basel und München hatte Lucrezia Hartmann in Köln erstmals eine Filmreihe zusammengestellt. Dann kam die hauptamtliche Anstellung in Aachen und direkt ein Leckerbissen für Cineasten: Es begann am 11. März 1974 mit einer Reihe zum polnischen Kino. Polanski und Wajda waren schon dabei, mit sechs Filmen pro Semester ging es aber bescheiden los. 1979 kam zur Ergänzung der Sprachkurse die Reihe "Film in Originalversion" hinzu, denn immer sollte das Gesamtprogramm der Volkshochschule ergänzt werden. Zehn Jahre später vervollständigte dann das "alle(r)weltskino" mit Filmen aus der damals noch sogenannten Dritten Welt die VHS-Filme, so wie wir sie bis jetzt kannten.

Über siebzig Sonderreihen in dreißig Jahren. Es war alles dabei: Nouvelle Vague, Junger Deutscher Film, Regisseur-Porträts, Länderreihen, Gastspiele der Kurzfilmtage Oberhausen, Stummfilme, Animationen, Dokumentationen - ein breites Spektrum in Sachen Filmkultur, dass die kommerziellen Kinos meist ignorierten. So waren die Reihen der Volkshochschule immer ein Ersatz für ein kommunales Kino. Filmkultur als städtische Aufgabe, das war in Aachen politisch nie angesagt. Über die Jahrzehnte war die finanzielle Situation der Filmreihen immer ein Problem, doch es gelang der VHS über die Runden zu kommen.

Die geringe Akzeptanz der Filmkunst kannte Lucrezia Hartmann schon seit Kindertagen - in der Familie gehörte Film zeitgemäß nicht zu den "hohen Künsten". Erst mit 13 ging sie in Schwäbisch Hall regelmäßig ins Kino, als Studentin dann soweit das Budget es erlaubte. Mittlerweile gönnt sie sich sogar ganze Filmfestivals.

Frau Hartmann erlebt man immer so von ihrer Arbeit begeistert, dass es ihr schwer fällt, eine Lieblingsreihe zu nennen. Vielleicht die japanischen Mizoguchi-Filme, die 1990 liefen, denn sie sind mittlerweile "unwiederbringlich". So eine Veranstaltung kriegt man heute aufgrund der Kopienlage nicht mehr zusammen. Auch die Filme aus Osteuropa, die man 1991 nach den geopolitischen Veränderungen erstmals sehen konnte, haben einen besonderen Platz in der Erinnerung. Und dann war da der Meister, Hitchcock. Seine Filme von den frühesten Stummfilmen bis zu den bekannten Klassikern liefen vier Semester lang - und doch hätten sie nur die Hälfte seines Werkes zeigen können, bedauert Frau Hartmann.

Glücklich ist sie, dass das VHS-Kino, das gerade kein Kino, sondern ein heimatloses Programm ist, dass dieser Wanderzirkus nach langer Odyssee jetzt im UFA-Palast eine technisch gut ausgestattete Heimat gefunden hat. Auch wenn nicht alle historischen Kopien in ihren ursprünglichen Filmformaten gezeigt werden können.

Doch trotz aller Schwierigkeiten ging es weiter und im letzten Jahr kam dann auch der Kinopreis des Kinematheks-Verbundes für kulturelle Filmarbeit nach Aachen, obwohl die VHS gar kein kommunales Kinos ist. Eine Anerkennung von Profis mit eigenen Kinos, richtigem Etat und täglichem Programm, welche die Kultur- und deshalb auch Kino-Enthusiastin besonders stolz macht. Noch im Ruhestand macht sie nun die nächsten Filmprogramme, bevor es sie in den Süden zieht, zu neuen Projekten.

Wir können ab Montag dank ihr neuen cineastischen Augenschmauss genießen: Der Berlinale-Sieger von 2003 "In this World" läuft am 20 Uhr im Ufa-Palast. Eine Woche später, am 8.3., startet die exzellente Reihe "Jazz meets Film" mit Clint Eastwoods "Bird", der Biographie von Charlie Parker.

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Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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