Fassbinder, Rainer Werner

Von Günter H. Jekubzik

Es begann mit dem Münchner action-theater und endete am 10.Juni 1982 im Alter von 37 Jahren, das von einer selbstmörderischen Arbeitswut und einer ungestillten Liebessehnsucht beherrschte kreative Leben des Rainer Werner Fassbinders. Mit einem unglaublichen Arbeitstempo schuf er in extrem kurzer Zeit Theaterstücke und Bearbeitungen, Hörspiele sowie Fernseh- und Kinofilme. Allerdings finden sich schon in dem Stück "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" (1971) verzweifelte Äußerungen über eine brutale Trennung von liebenden Menschen, die der kreative Erfolg mit sich führt. In seinen Filmen zeigte sich Fassbinder früh als Meister des Einsatzes seiner damals noch geringen (materiellen) Mittel.

In seinem vielfältigen Werk ist Begeisterung für den Hollywood-Film - vor allem für die Melodramen des Douglas Sirk, dessen "Imitation of life" zu Fassbinders Lieblingsfilmen gehörte - ebenso wie die Geschichts- und die Zustandsbeschreibung der deutschen Gesellschaft zu finden.

Das einstige enfant terrible des deutschen Film ist inzwischen anerkannt. Erinnerungen erscheinen allerorten und all die "Schlüssel" zu seinem Werk füllen schon mehrere Kisten. Seine Wirkung läßt sich auch an den Namen ermessen, die mit ihm groß geworden sind: Hanna Schygulla, Kurt Raab, Irm Hermann oder der Kameramann Michael Ballhaus. Daß der "Egomane" Fassbinder einige von ihnen mit knallharten Auseinandersetzungen und Psychoterror wegstieß, ist ein anderes Kapitel. Seine Einschätzung als das Herz des Neuen deutschen Films bestätigt sich durch den Eindruck, daß die deutsche Produktion nach 1982 tatsächlich die Lebendigkeit einer Herz-Lungen-Maschine aufweist.

Bei all diesen Aspekten seiner Größe, bleiben die Fassbinder-Filme gerade wegen ihres starken persönlichen Anteils zeitlos faszinierend. Das Movie zeigt in der kommenden Woche die eher zufällige Auswahl eine Verleihs: "Katzelmacher" (1969) basiert auf einem Theaterstück des antitheaters und zeigt die Veränderungen in einer Gruppe aus vier Paaren als Jorgos, der Gastarbeiter aus Griechenland auftritt. Im ähnlichen Themenkreis verfolgt "Angst essen Seele auf" (1973) die Verbindung der sechzigjährigen Witwe Emmi (Brigitte Mira) mit dem jüngeren Marokkaner Ali. Fassbinder charakterisierte sowohl die Haltung der Umgebung als auch das problematische Innenleben des Paares. Als Kontrast folgt der historisch wirkende "Effi Briest" (1974), eine extrem trocken stilisierte Fontane-Adaption, die wohl nur einige Literaturwissenschaftler genießen können.In dem persönlicheren "Faustrecht der Freiheit" (1975) spielt Fassbinder selbst die Rolle des Franz Biberkopf (!), dessen Beziehung zum sozial höherstehenden Eugen an den Klassen- und Bildungsunterschieden scheitert. Das anfangs ungewöhnlich komödiantische Homosexuellendrama wird auch als Parabel für Fassbinders Aufstieg in der Kulturszene verstanden.Rein persönlich muß der extrem harte "In einem Jahr mit 13 Monden" (1978) gesehen werden. Der Film entstand kurz nach dem Selbstmord seines Freundes Armin Meier und Fassbinder übernahm die meisten Aufgaben - bis hin zur Kamera - selbst.Leichter wirkt "Die dritte Generation" (1979), eine Komödie über die politisch kaum motivierten terroristischen Aktivitäten einer Gruppe junger Leute.Deutsche Geschichte interpretierte Fassbinder scharf und treffend in drei "Frauenfilmen": "Lili Marleen" (1980) ist gleichzeitig die Geschichte eines Liedes und deren Interpretin aus der Nazizeit. "Die Ehe der Maria Braun" (1978) verfolgt den Weg der starken, in Krisenzeiten einfallsreichen Maria (Hanna Schygulla) in den ersten Jahren unserer Republik. Persönliche Entwicklung und Politik verbinden sich schlüssig bis zum explosiven Finale vor der Geräuschkulisse von 1954 "Deutschland ist Weltmeister".1955 wird der Lebensweg des ehemaligen UFA-Stars Veronika Voss aufgenommen. Für "Die Sehnsucht der Veronika Voss" (1982) erhielt Fassbinder in Berlin seinen einzigen Goldenen Bären.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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