Quicklebendige Legende

Der jüdische Produzent Artur Brauner in Düsseldorf

Von Günter H. Jekubzik

Zur Premiere der Dokumentation "Artur Brauner - ein jüdisches Leben in Berlin" traf der 85-jährige Produzent Brauner in Düsseldorf junge Kollegen aus NRW.

Düsseldorf. Die Zahl von über 250 Spielfilmen, die Artur Brauner in den letzten fast sechzig Jahren produziert hat, spricht für sich. Aber nicht nur sein eindrucksvolles Lebenswerk zwischen Unterhaltung und humanistischem Engagement beeindruckt.

Es ist vor allem die Persönlichkeit des 85-jährigen "Atze" Brauner, die ihn zu einer Produzenten-Legende gemacht hat und die direkt einnimmt. Freundlich, mit kleinen, aufmerksamen Augen nimmt er die Ehrungen entgegen, spricht mit dem "Nachwuchs", mit jüngeren Produzenten aus Nordrhein-Westfalen, die von der Filmstiftung NRW zu dieser intimen Premiere geladen wurden. Susanne Kessel, die wahre Pianistin hinter dem Schau-Spiel von Franka Potente in "Blueprint" gab eine Kostprobe ihres Könnens. Mit dem Charme der Direktheit bedankte Brauner sich beim Hausherrn und Filmstiftungs-Geschäftsführer Michael Schmid-Ospach: "Hier will scheinbar jemand ein Freund werden."

Das Geschäft spielt selbstverständlich immer noch eine Rolle beim Chef der Berliner CCC-Filmproduktion. Für das Projekt "Der letzte Zug" mit Maria Schrader unter der Regie von Armin Mueller-Stahl redet man über Fördergelder aus NRW. Auch am Film "Der Teufel, der sich Gott nannte" mit dem Kinski-Sohn Nikola wird gearbeitet.

Alles begann mit "Morituri" kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die meisten Menschen kämpften ums Überleben - Artur Brauner wollte einen Film über die jüngste Vergangenheit drehen, über die Flucht einer Gruppe von KZ-Häftlingen, die sich im Wald vor der Gestapo verstecken und die sowjetischen Truppen erwarten. Durch die galoppierende Inflation brauchte Brauner "nur" 3000 Dollar und eine Lizenz. Die hatte der gewandte junge Mann von den Amerikanern, aber er wollte die realistische Umgebung und Vegetation des Ostens. Nach ein paar Gläsern Wodka bekam er zwar keine russische Lizenz, aber eine Drehgenehmigung. Jetzt waren nur noch kleinere Probleme zu lösen, so mussten allein acht Angestellte sich um die Essensmarken und die Versorgung kümmern. Um die Scheinwerfer am Set zu elektrifizieren, wurde nachts der Strom in Eberswalde und Prenzlau abgedreht! So versteht man "Atze" Brauners Rat an die Produzenten in Düsseldorf: "Nie aufgeben!"

Es ist die persönliche Seite dieses Urgesteins des bundesdeutschen Films, die Gisela Anna Stümpel in ihrer Dokumentation "Artur Brauner - ein jüdisches Leben in Berlin" (20.März bei ARTE) interessiert hat. So sieht man ihn auf privaten Filmen feiern und tanzen, hört wie er jiddisch vom Schtetl singt. Auch der Schmerz darüber, dass man seinen in den USA erfolgreichen Holocaust-Film "Hitlerjunge Salomon" nicht für den Oscar eingereicht hat, ist längst nicht verklungen.

Der 1.8.1918 in Lodz geborene Jude Brauner, der neben vielen Unterhaltungsfilmen wie die "Dr. Mabuse", einige "Winnetous" oder Edgar Wallace-Verfilmungen immer wieder politische Themen wie "Der 20.Juli" (1955) aufgriff, holte verfolgte Regisseure zurück nach Deutschland, drehte etwa mit Fritz Lang und Robert Siodmak. Aber auch mit Heinz Rühmann ("Es geschah am hellichten Tag", 1958), Gerd Fröbe oder Romy Schneider ("Mädchen in Uniform", 1958). Der um Aachen gedrehte Schmugglerfilm "Sündige Grenze" (1951) entstammt ebenfalls seiner CCC-Produktion. Seine Energie, sein Esprit im hohen Alter sind immer noch bewundernswert. Doch hört man auch, dass ihn der Misserfolg seines letzten engagierten Projekts "Babij Jar", über die Ermordung von 33.731 ukrainischen Juden durch die Nationalsozialisten im September 1941, sehr betrübt. Die Vergangenheit, die für ihn immer noch so präsent ist, scheint niemanden mehr zu interessieren.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch

Ein Service von

arena internet service

FILMtabs-Logo