Pret-a-Porter

Robert Altman führt die Modewelt vor

Der Hit der Frühjahrs-Kollection

Von Günter H. Jekubzik

Vor zehn Jahren führte Kathryn Altman ihren Mann Robert in Paris zu einer Modenschau. Es war gerade Pret-a-Porter-Woche, die besten Modedesigner stellten ihre neuen Modelle vor. Dabei entdeckte Robert Altman, daß der Modezirkus etwas ungemein Reizvolles, Filmisches besitzt. Da er auch ein Meister des satirischen Entblößens selbstverliebter Scheinwelten ist, verdanken wir diesem Besuch der Modenschau den Höhepunkt des Mode-, Pardon, Film-Frühlings: Pret-a-Porter. Die Show in dem perfekten Laufsteg-Format CinemaScope Startet am 30.März in den deutschen Kinos.

Die Woche der Pret-a-Porter-Shows ist an sich schon furchtbar turbulent, doch der ganze Trubel überschlägt sich, als der große Modezar Olivier de la Fontaine (Jean-Pierre Cassel) an einem Schinkenbrot erstickt und die Polizei einen Mord vermutet. In der Komödie der Eitelkeiten schnüffelt nun auch die Polizei herum, doch was wirklich an Haß und Liebe, Eifersüchteleien und Intrigen abläuft, entdeckt "Pret-a-Porter" nur uns.

Typisch für Altman ist eine riesige Riege von Stars, die sich selber spielen oder karikieren (wie Marcello Mastroianni und Sophia Loren). Kim Basinger blubbert als Star-Reporterin Kitty Potter nett verzierte Luftblasen in die Kamera. Drei renommierte Modejournalistinnen reißen sich fast die Kleider vom Leib, um den Starphotographen Milo O'Brannigan (Stephen Rea) zu umgarnen. Doch der wird die Frauen nur gemein auf(den Arm)nehmen.

Der seit den Dreharbeiten zu "Short Cuts" extrem abgemagerte Regisseur Altman verpackt in seinem Zynismus reizvolle Ideen zum Wesen der Bekleidung: Den größten Spaß im Film haben gerade die zwei Reporter (Julia Roberts und Tim Robbins), die sich ohne ihre kleidungsmäßige Aus-Rüstung ein Hotelzimmer teilen müssen. Julia vergaß ihr Gepäck am Flughafen und Tims Tasche wurde von Marcello Mastroianni geklaut. Der treibt sich als Moskau-Flüchtling und gesuchter Mörder in fremden Anzügen und Zimmern herum. Als er nach Jahrzehnten mit seiner angebeteten Liebe (Sophia Loren) auf dem Bett liegt, sich diese langsam ihrer Hüllen entledigt, schläft der vorher so emsige Liebhaber ein. (Die Szene mit den beiden großartigen Filmstars stellt eine sehr schöne Hommage an den gemeinsamen De Sicas "Gestern, heute und morgen" von 1964 dar.)

Neben diesen inszenierten Aufnahmen stürzten sich die Kameras auch in die echten Modeshows mit all ihren Prominenten. Cher, Harry Belafonte, die Modemacher Claude Montana und Jean-Paul Gaultier bekamen Zettel mit den Rollennamen der agierenden Stars und spielten bereitwillig bei Altmans Show mit. Die hochschwangere Ute Lemper hat einen eindrucksvollen Auftritt beim großen Finale. Und auch Claudia Schiffer als ein weiterer deutscher Export-Schlager hat ihren Auftritt stellvertretend für die Supermodells, die für Millionen Haut und Image zu Markte tragen.

Schon früher trieb Robert Altman, der im Februar seinen siebzigsten Geburtstag feierte, seinen bösen Spott mit bestimmten Szenen. Seien es die ach so netten Country-Sänger ("Nashville", 1975), die Leute vom Film ("The Player", 1990) oder der verlogene Zirkus um eine amerikanische Legende ("Buffalo Bill und die Indianer", 1976). Sein erster großer Erfolg nach über sechzig Dokumentar- und Industriefilmen, die er seit 1955 drehte, war 1970 die Goldene Palme von Cannes für "M*A*S*H". Die beißende Satire über eine Sanitätstruppe im Koreakrieg ließ sogar eine gleichnamige, aber viel flachere Fernsehserie entstehen. Der größte Erfolg bis zum grandiosen Comeback mit "The Player" (zwei Goldene Palmen für Altmans Regie und den Hauptdarsteller Tim Robbins) war "Nashville". Seit diesem Film inszenierte Altman immer wieder mit einer großen Zahl von vielfältig verflochtenen Rollen. In "Nashville" waren es 24, in "Short Cuts" 22 und in "Pret-a-Porter" sogar über 38 Figuren mit ihren Geschichten! Regelmäßig sind die gleichen Schauspieler in Altman-Filmen zu sehen. Aus dieser sogenannten "Repertory Company" erwuchsen auch die Regisseure Alan Rudolph ("Made in Heaven", "Equinox") und Robert Benton ("Kramer gegen Kramer"). "The Player" Tim Robbins legte mit "Bob Roberts" ein brillantes Regiedebüt hin.Doch ebenso meisterlich beherrscht der unabhängige amerikanische Regisseur Altman stille, eindringliche Psychostudien um einzelne Figuren ("Komm zurück, Jimmy Dean", 1982; "Vincent und Theo, 1990). Seit "McCabe & Mrs. Miller" (1971) fesselte er vor allem mit einfühlsamen Frauenbildern.

Die Welt der Mode reizte ihn als Modell für das Showgeschäft in all seinen Sparten: "Die meisten Modedesigner sind wirkliche Künstler, ganz klar. Aber die Leute um sie herum - Journalisten, Einkäufer, Photographen und so weiter - sind oft reine Scharlatane." Dementsprechend ist das Finale von "Pret-a-Porter" nach bitteren Zynismus ein großer Auftritt der Menschlichkeit: Frei von allen künstlichen Hüllen hat die reine Schönheit ihren großen, bewegenden Auftritt. (Daß nur Frauen dabei sind und auch Körper einer kulturellen Formung unterliegen, findet auch in einem so intelligenten Film wohl keinen Platz.) Altman führt eine von eitlem Tand und formalem Schnickschnack gereinigte Kunst vor. Eine sehr schöne und angenehme Vision, die für die Welt des immer schnelleren und härteren Films zu denken gibt.

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AVZ 1.4.95

Pret-A-Porter

Erstaufführung, Regie: Robert Altman

Der neueste Spott Robert Altmans verselbständigte sich durch das Spektakel eines stinkigen Lagerfelds. Ganz nebenbei ist "Pret-A-Porter" aber auch ein Meisterwerk um einen Mord, eine Firmenübernahme und natürlich eine Menge Mode und Modells in der Woche der Pret-A-Porter-Shows. Mit Stars, Stars und nochmal Stars inszenierte Senior Altman die quicklebendige Komödie. Hunderte von klug eingewebten Einzelheiten des Films über Hüllen und hüllenloses Glück sind zu entdecken. Die miteinander verwobenen kurzen und langen Handlungsfäden fesseln mit Originalität, Witz und Geist. Die humanistische Satire ist ein schöner Spaß, wobei das Wörtchen "schön" nach "Pret-A-Porter" auch ganz anders verstanden wird. Schade, daß Karl Lagerfeld ein paar Sekunden Ton klaute.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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