Das Piano

Australien/Fr. 1993 (The Piano) Regie Jane Campion, 120 Min.

"Das Piano" ist die Liebesgeschichte eines Klaviers. Mit seiner Pianistin und Gespielin Ada muß es wegen einer arrangierten Heirat die schottische Heimat verlassen. Bei der Ankunft in Neuseeland ist das Piano nicht nur verstimmt - viel schlimmer: Trotz des stumm schreienden Protestes seiner Besitzerin bleibt auf Geheiß des unsensiblen neuen Ehemannes Stewart 'das Klavier' am Strand zurück. Ada, die reife Frau ist stumm, nur mit Zetteln und der Hilfe ihrer Tochter Flora verständigt sie sich. Doch von den vielen Sprachen des Films - Gebärden, verschiedene Formen des Britischen, das Maori der Ureinwohner - ist die Stimme des Pianos die universalste. Vor allem Gefühle vermittelt es im einfühlsamen Soundtrack von Michael Nyman.

Nach den thematisch den Wahnsinn streifenden "Sweetie" und "Ein Engel an meiner Tafel" schuf die Neuseeländerin Jane Campion wieder einen wunderbaren Film mit exquisit schönen Bildern im Rot-Grün der neuseeländischen Naturlandschaften, der zu Recht 1993 die goldene Palme in Cannes erhielt. "Das Piano" ist aber auch ein Film über eine (Piano-) Künstlerin, die im Schlamm und den Niederschlägen der Unkultur versinkt. Dagegen bilden Floras filigrane Muschelzeichnungen am Strand ein Äquivalent zu Jane Campions Filmbildern. Faszinierend auch das energische Aktieren von Holly Hunter ("Broadcast News", "Always") als Ada, mit sehr schönen Gebärden wortloser Übereinstimmung zwischen Mutter und Tochter, andere ausschließend und in Sekundenschnelle zu kühler Eleganz erstarrend.

Ihre Gegenfigur Stewart beschäftigt sich im Neuseeland des 19.Jahrhunderts fortwährend mit dem Roden der Urwaldlandschaft, mit dem Nivellieren aller für ihn unverständlichen Klüfte auf sein einfaches Niveau. Sam Neill, dem neuseeländische Darsteller, paßt die Rolle wie eine zweite Haut. Den Höhepunkt des Spielgenusses bietet Harvey Keitel als George Baines. Der Nachbar Stewarts will Adas Liebe über ein unmoralisches Angebot gewinnen: Für jede Unterrichtsstunde, die sie ihm am Piano gewährt, soll Ada eine Taste des Pianos zurückerhalten. Sie beschränkt den Handel auf die schwarzen Tasten und Baines erweitert ihn um sexuelle Handlungen.Die aufflammende Leidenschaft vernachläßigt das Piano und als Ada der verbotenen und bedrohten Liebe zu Baines eine Piano-Taste opfert, rächt sich das Drama mit einer schmerzlichen Trennung.

Das Ende ist ein sehnsuchtsvoller, selbstaufopfernder Traum des Pianos vom Boden des Meeres. Eine Ahnung klingt an, daß Ada, ohne ihre Piano-Obsession ein glücklicheres Leben führen soll.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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