One Hour Photo

One Hour Photo

USA 2002
Regie: Mark Romanek
Buch: Mark Romanek
Darsteller: Robin Williams (Seymour "Sy" Parrish), Connie Nielsen (Nina Yorkin), Michael Vartan (Will Yorkin), Gary Cole (Bill Owens), Dylan Smith (Jake Yorkin), Eriq La Salle (Kriminalbeamter Van Der Zee)
Länge: 95 Min.
Verleih: Fox
Kinostart: 9.1.2003

http://www.onehourphoto.de/
http://www.foxsearchlight.com/onehourphoto/

Seymour Parrish heißt der Angestellte des Foto-Stundenservice im Supermarkt. Sy wird er genannt, das klingt wie der Grundfarbton Cyan, dessen Anteil der Perfektionist beim Entwicklungsautomaten bemängelt. Dabei ist der stille Angestellte reiferen Alters bis zur Farblosigkeit unauffällig. In den kalt-weißen Räumen, die ihn verschwinden (engl. to perish!) lassen, setzt nur ein Cyan-Blau wie zum Hohn Akzente. Dass solch stille blasse Wasser gefährlich tief sein können, diese Weisheit aus Psychothrillern kostet "One Hour Photo" kühl sezierend aus.

Denn erst spät sehen wir, welche Obsession den Angestellten antreibt: Obwohl er völlig einsam lebt, kein wirkliches Leben hat, sammelt er die Fotos "seiner" Familie. Die Yorkins - Nina und Will mit dem Sohn Jake - sind seine liebsten Kunden, jedes Bild der Fotosüchtigen entwickelt er doppelt, eines für die Privatsammlung, die das Aufwachsen des Jungen ebenso dokumentiert wie jeden Urlaub. Diese Variante des Voyeurismus bleibt im Bereich "creepy" - schaurig, etwas unheimlich. Doch als eine andere Kundin eindeutige Seitensprung-Bilder mit Familienvater Will anliefert, implodiert die Fassade der Normalität. Dass Seymour seine Zuverlässigkeit aufgibt und den Job verliert, zählt nicht mehr, denn jetzt hat er eine neue Aufgabe und kauft sich dafür ein Jagdmesser. Eine Kamera ist selbstverständlich auch dabei, denn der Begriff Schnappschuss stammt ja aus dem Wortschatz der Jagd ...

Noch mehr als in "Insomnia" setzt Robin Williams in "One Hour Photo" mit Zurückhaltung Akzente. Eine um so erstaunlichere Leistung, wenn man Williams als quirligen, nicht zu beruhigenden Komiker erlebt, der im extremen Gegensatz zum dem fast emotionslosen Sy Parrish steht. Es ist zu hoffen, dass die Führung von Regisseur und Autor Mark Romanek der Karriere von Williams einen Schub für weitere spannende Figuren gibt.

"One Hour Photo" zeigt sich als typisches, aber doch auch tief gehendes Kinodebüt eines Video-Regisseurs, der für Madonna und Nine Inch Nails arbeitete. Diesmal will der Kritiker nicht über die Video-Clipper lästern, denn neben einer ästhetischen Linie, einer Farbdramaturgie, die so konsequent selten durchgehalten wird, bringt Romanek auch noch ein Bewusstsein für Bilderwelten mit, für Images, für Oberflächenglanz und dem Problem, hinter diese Fassaden zu dringen. Die Fotoaufträge der aufgereihten Kunden halten der Gesellschaft humorvoll einen Spiegel vor. Diese harmlose Seite des Voyeurismus kippt um beim Versuch des Beobachters, selber gestaltend einzugreifen. Was dabei letztendlich passiert ist, kann eine Reihe von weiteren Fotos gerade nicht zeigen. Bei einem Polizeiverhör, das den Rahmen der schleichend packenden Story bildet, läuft der erhoffte Bildbeweis ins Leere. Das offene Ende bleibt eine eindeutige Antwort schuldig.

Die Kunst der Entwickelns wird sehr geschätzt bei "One Hour Photo" - sowohl im Fotoservice als auch in der zwingend ruhig fortschreitenden Geschichte. Trotz aller Zutaten eines Psycho(pathen)-Thrillers entwickelt sich "One Hour Photo" zielsicher zum kühlen Kunstwerk der raffinierteren Art, was ihn eher für ausgewählte Häuser als für die breite Masse qualifiziert.

(Bemerkenswert ist ebenfalls, wie die amerikanische Website die bedrohliche Stimmung von einfachen Bilderserien in den Flashanimationen evoziert.)


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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