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Nichts als die Wahrheit
BRD 1999 (After the Truth) Regie Roland Suso Richter, 128 Min.
Der junge Anwalt Peter Rohm (Kai Wiesinger) ist fasziniert von seinen historischen Nachforschungen um den berüchtigten KZ-Folterers Josef Mengele. Als Rohm zum Geburtstag eine alte SS-Uniform des Nazi-Mediziners erhält, folgt er leichtfertig der ausgelegten Spur und trifft in Argentinien auf einen 87-Jährigen (Götz George), der nur zu gern vermuten läßt, er sei Josef Mengele. Rohm soll ihn in Deutschland verteidigen und gerät in ein mehrfaches Dilemma.
Als aufrichtiger Linker und historisch bewußter Mensch wünscht er eine harte Strafe für den sogenannten "Todesengel von Auschwitz". Als Jurist meint er, jedem Menschen stehe ein gerechtes Verfahren zu. So übernimmt Rohm die Verteidigung des vermeintlichen Mengele, wodurch er und das Rechtssystem einer extremen Belastung ausgesetzt werden: Wie kann man solch einer Bestie Gerechtigkeit widerfahren lassen, ihr Raum zu hoch intelligent verqueren Verteidigungsreden einräumen? Die Gemeinschaft Rohms mit seiner Frau - zusammen arbeiteten sie an einem Buch über Mengele - zerbricht. Irgendwann "schützen" rechte Schläger den linken Anwalt.
Die Auseinandersetzung mit Tätern der Nazizeit ist ein gewagtes Thema, da der Wunsch nach Verschweigen und Vergessen verbreitet ist. Als man Mengele 1979 für tot erklärte, hatte die Erleichterung unterschiedliche Gründe. "Nichts als die Wahrheit" stellt die große Frage "Warum?" auch wenn es keine Antwort gibt - vielleicht auch nicht geben kann. Der fesselnde Film erlaubt sich, die Sicht Mengeles auszubreiten, der mit dem provozierenden Satz antritt "Die Zeit ist reif, meine Motive zu verstehen."
Es ist dabei nicht die Schneider/Schwerte-Problematik, mit der Frage, ob ein Mensch sich ändern kann, ob man, wenn man urteilt oder ausspuckt den gleichen Menschen wie vor fünfzig Jahren trifft. Hier versucht jemand mit dem Zynismus, der auch Teilen der modernen Medizin anhaftet, grausamste Verbrechen zu rechtfertigen. Das Tragische dabei ist, dass er wohl selber in diesem Glauben tätig war.
Götz George spielt ähnlich wie in "Der Totmacher" wieder äußerst eindrucksvoll. Als Mengele ist seine Haut bleich wie die von "Nosferatu", die Augen leuchten hart. Kai Wiesinger hält sich daneben als Anwalt vortrefflich. Zusammen mit Regisseur Roland Suso Richter zeigte er sich ja in "14 Tage lebenslänglich" erstmals als vielseitiger Schauspieler. Immer wieder findet Roland Suso Richter beim gekonnten Spiel mit den Zeitebenen außergewöhnliche Kameraperspektiven und Bilder, die dem Film eine große cinematographische Qualität geben. Das ist ein ganz anderer Stoff als Armin Müller-Stahls "Hitlerfilm" "Gespräch mit dem Biest", schlüssiger, packender und in jeder Hinsicht gelungener.
Dabei ignoriert der Film nach dem Drehbuch von Johannes W. Betz nicht die jungen und alten Neonazis von Heute, deren vielfältiger Einfluß fast zum Mord an Mengele führt. Immer wieder spielt die Außenwirkung der "Wiedergeburt" Mengeles eine große Rolle. Die Macher des Films sicherten sich angesichts des heiklen Themas ab, bezogen schon beim Rohschnitt Vertreter jüdischer Gemeinschaften mit ein.
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