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Naked Lunch - Nackter Rausch
Kan./GB 1991, Regie und Buch: David Cronenberg, 115 Min.
Der Kanadier Cronenberg, dessen Aussehen Martin Scorsese mit "wie ein Gynäkologe aus Beverly Hills" beschrieb, ist eine Kultfigur des Horrorfilms. Anfangs inszenierte er mit geringen Mitteln technisch innovative und thematisch subversive Schreckensvisionen, bevor mit wachsendem Erfolg die Oberfläche bei "Dead Zone", "Die Fliege" und "Die Unzertrennlichen" eleganter wurde. Doch das Untergründige bricht weiterhin aus Cronenbergs Schöpfungen hervor und greift sich sein Publikum sicherer und langfristiger als die einfach gestrickten Horrorstreifen.
Für "Naked Lunch" griff Cronenberg Motive des gleichnamigen, unverfilmbaren Kultromans von William S. Burroughs auf. Aber auch Burroughs Lebensphase im Griff der Drogen floß in die Geschichte des Autoren und Kammerjägers Bill Lees ein. Lee gehört zu einer Gruppe, die sich im New York der Fünfziger mit Insektengift in kafkaeske Rauschzustände versetzen. Nachdem Bill seine Frau bei einem Spiel erschoß (wie es auch Burroughs tat) und eine Schreibmaschine zum Verbindungsoffizier einer Geheimorganisation mutierte, flieht der Autor mit Schreibhemmung nach "Interzone" - weniger ein Land, eher ein Bewußtseinszustand. Dort verstärkt sich der Wahn nach dem Motto "Nichts ist wahr; alles ist möglich".
Im arabisch wirkenden Interzone entsteht eine Droge aus zerstoßenen Riesentausendfüßlern. Aus Schreibmaschinen werden enorme Käfer, die mit dem Hinterteil sprechen und Symbiosen mit ihren Benutzern eingehen. In gnadenlosen Kämpfen zerfleischen sich die verfeindeten Schreibgeräte, während Lee über homosexuelle Affären zu der geheimnisvollen Doppelgängerin seiner getöteten Frau gelangt.
All diese Visionen zeigen sich trotz ihrer verwirrenden Vieldeutigkeit anschaulich. Selbst der Anblick der Insekten erzeugt keinen Ekel, während die Handlung in Tiefen führt, die verunsichern und ungeahnte Einsichten ermöglichen. Vielfältige Interpretationen bieten sich an, der kreative Prozeß eines Autoren und der dunkle Stil erinnern an "Barton Fink". Der wiederholte Tod der Frau könnte eine Initialzündung für neue Kreativität bedeuten. Doch solch formelhafte Vereinfachungen engen den Bild-Rausch von "Naked Lunch" ein.
In der Hauptrolle tritt Peter Weller gegen sein Image als "Robocop" auf, ein entscheidende Nebenfigur spielt Senior Roy Scheider. "Naked Lunch" ist als außergewöhnliches Kino-Ereignis alles andere als ein Fast-Food-Film, bei dem selbstverständlich Burroughs Roman zuhause bleiben sollte.
Günter H. Jekubzik
Eine Kritik von Günter H. Jekubzik
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