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Meine Heldin

Fr 1998 (L'ennui) Regie Cédric Kahn, 120 Min.

Die Langeweile oder Das Nerven

Die Romanvorlage "La Noia" von Alberto Moravia verdiente sich ihre Bekanntheit eher durch die erotischen Schilderungen als durch literarische Qualitäten. In der Verfilmung aus dem Jahre 1963 mit dem vielsagenden deutschen Titel "Die Nackte" spielte unter der Regie von Damiano Damiani Horst Buchholz die Hauptrolle. Nun versuchte sich Cédric Kahn, ein Vertreter des jungen französischen Kinos, an dem Stoff.

Der an allem fürchterlich desinteressierte Autor Martin (Charles Berling) verfolgt einen alten Mann (Robert Kramer), der von einem jungen Mädchen auf der Straße stehengelassen wird. (Und bekommt damit wie in "Der Blaue Engel" eine Vorschau auf seine eigene Zukunft.) Kurz darauf findet der alte Mann, ein Maler, seinen Tod im Liebes-Akt - nachdem er bereits sein Leben in der Liebe zu seinem immer wieder von hinten portraitierten Aktmodel verloren hat. Auch Martin verfällt gleich bei der ersten Begegnung der pummeligen, einfältigen, 17-jährigen Cécilia (Sophie Guillemin), beerbt als untätiger Schriftsteller den Maler und hat mit seiner Obsession ein Gegenmittel zu seiner Langeweile gefunden. Allerdings taucht in der wahnhaften Beziehung, die eigentlich nur aus Martins Projektionen auf ein anfangs williges Objekt besteht, schnell die Sorge auf, wer jetzt wohl wen langweilt - und keiner denkt ans Publikum ...

Quälend verlaufen die täglichen Treffen im Bett, die verhörgleichen, einseitigen Gespräche. Der durchdrehende Martin fragt und fragt, die unreflektierte Cécilia weiß es nicht oder meint, es ist halt so. Sie macht sich keine Gedanken, hat keine Meinung, äußert keine Gefühle. Eine Lolita-Geschichte ohne Lolita - nicht besonders reizvoll. Ebensowenig, wie zwei Stunden einem Idioten zuzusehen, der sich in eine wahnhafte Beziehung verrennt. Zäh und klebrig hängt Martin an ihr, klebrig und zäh verläuft der Film. Ein besserer Titel wäre vielleicht "Das Nerven". Überhaupt ist die ganze Kiste ziemlich veraltet.

Dabei ist die Umsetzung wesentlich reizvoller als der Stoff: Charles Berling ("Ridicule", "Love etc.", "Obsession", "Wer mich liebt, nimmt den Zug") spielt sehr glaubhaft den obsessiven Martin, doch was hilft das, wenn man schon den Roman nicht ertragen konnte? (Ist dies jetzt deshalb eine gute Verfilmung des Buches?) Arielle Dambasle ("Der Baum, der Bürgermeister ..."), die schauspielende Vogelscheuche, gibt diesmal Sophie, die genervte Freundin und Ansprechpartnerin Martins. Cédric Kahn findet ein paar dynamische, bewegende Aufnahmen für gehetzte Momente des Wahns. Der Rhythmus stimmt, bleibt aber trotzdem schwer erträglich. Aus der zähen Verschlingung der Gefühle erlöst nur selten ein Moment wie der absurde Besuch bei Cécilias Eltern, die "Gespräche" mit dem kehlkopflosen Vater.

Dem französischen Regisseur Cédric Kahn wurde bescheinigt, er hätte nach "(Trop de) Bonheur" nun einen "erwachsenen" Film gemacht? Zumindest einen Fußnotenplatz im Literaturlexikon hat er sich verdient.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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