Mein 20.Jahrhundert

Ungarn 1989 (Az en XX.szazadom) Regie und Buch: Ildiko Enyedi, 102 Min.

Zu Anfang und am Ende zeigt der Film, wie Edison eine neue Erfindung präsentiert. Beide Male wirkt er nicht glücklich. Nachdem seine Glühbirnen vor staunendem Publikum einen künstlichen Lichterhimmel schufen und die Marschkapelle pitoresk illuminierten, siniert er und hört nicht, wie die richtigen Sterne mit ihm sprechen. Viel Zeit haben diese auch nicht, zwei von ihnen müssen nach Ungarn, denn dort werden zur gleichen Zeit im Jahre 1880 Zwillinge geboren. Doras und Lilis Wege trennen sich bald. Lili bombt sich als Anarchistin durch die Zeitgeschichte, während Dora ihr Leben in der gehobenen Gesellschaft mit gutem Aussehen und kleinen Betrügereien finanziert. In den letzten Minuten des alten Jahrhunderts streifen sich ihre Lebenslinien an einem Bahnhof, wo zwei Züge kurz nebeneinander halten, um in entgegengesetzten Richtungen weiterzufahren.

Die vielen unverbundenen Lebensszenen in oft sehr schönem und poetischem Schwarz/Weiß werden durch phantasievolle Bilder und Geschichten angereichert. Ein Laborhund erläuft sich zum Beispiel die Welt, nachdem ihm die Sterne mit einem Film Appetit auf die Freiheit gemacht haben. Otto Weininger erzählt in einem Hörsaal den versammelten Frauen, was ihnen alles zum richtigen Menschsein fehlt. Im Finale spielt ein Esel Schicksal, dem man ansieht, daß einer seiner Vorfahren aus Bethlehem kommt. Er führt die Schwestern und den geheimnisvollen Mann, der beider Leben streifte, im Spiegelkabinett zusammen. Danach beendet Edison -nebenbei auch Erfinder eines Kinematographen- dieses ungewöhnliche, reiche und stellenweise sehr eindrucksvolle Erstlingswerk der ungarischen Regisseurin, das zu Recht beim letztjährigen Festival in Cannes prämiert wurde. Bei der Vorstellung seines Telegraphen zeigt ihm die harmlose Schönheit einer weißen Brieftaube Vergangenheit und sinnlichen Gegenpol seiner technischen Neuerung.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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