Mad City

USA 1997 (Mad City) Regie Constantin Costa-Gavras, Buch TomMatthews, mit John Travolta, Dustin Hoffman, Mia Kirshner, Alan Alda,Robert Prosky, Blythe Danner, 114 Min.

Meine Damen und Herren, wir schalten jetzt direkt insNaturkundemuseum von Michigan, wo unser Mitarbeiter Zeuge einersensationellen Entwicklung ist. Wir berichten live über dieTonleitung von Max Brackett:

Ja, hallo und Guten Abend. Gerade haben wir noch ruhig beobachtenkönnen, wie Dustin Hoffman als kleiner Reporter Max Brackettüber die Mittelknappheit und Entlassungen dieses kleinen Museumsberichtete. Da stürmte ein scheinbar sehr verwirrter Mann insGebäude, um mit der Museumsleiterin Mrs. Banks (Blythe Danner)zu sprechen. Er sieht aus wie John Travolta, nennt sich Sam Bailey,trägt die Uniform der Museumswärter und ruft immer wieder,er wolle seinen Job zurück. Plötzlich fuchtelte er miteinem Gewehr herum und schon löste sich ein ungezielterSchuß, der vor der Eingangstüre Sams ehemaligen KollegenCliff traf.

Anfangs haben wir den bewaffneten Mann als ungefährlicheingeschätzt. Die nicht besonders dramatische Situation scheintaber nun zu eskalieren, weil durch unsere Berichterstattung Scharenvon sensationsgeilen Reportern angelockt wurden. Auch die Polizeibelagert das Museum. Gerade schließen hier automatisch alleTüren und Fenster, die Spannung steigt konstant an. EineSchulklasse, die sich zufällig noch im Museum befand, ist mitmir, Max Brackett, der Museumsleiterin und dem vollkommen ziellosenSam eingeschlossen.

Unter uns gesagt: Die Karriere von Max verlief in letzter Zeitnicht berauschend, früher waren seine Bericht mal landesweit zusehen, einst klärte er "unbestechlich" den Watergate-Skandalauf, jetzt hängt er bei den Lokalnachrichten rum und versucht,seine junge Kamerafrau und Assistentin Lou (Mia Kirshner) anzugraben.Doch jetzt lebt er auf, sieht seine Chance und will nun denGeiselnehmer zu einem Interview zu überreden. Dereinfältige Sam weiß allerdings überhaupt nicht, waser tun soll und es scheint, als übernimmt Max das Kommando.Inszeniert hier vielleicht der Journalist selbst seine großeStory? Die Ethik der TV-Reportagen steht selbst im Scheinwerferlichund kommt sehr schlecht weg. Wir unterbrechen für eine kurzeWerbeeinblendung und melden uns gleich wieder.

Demnächst im Kino: Die scharfe Mediensatire von Costa-Gavrasmit Dustin Hoffman und John Travolta. Der Regisseur von "Z" (1968),"Verraten" (1987) und "Music Box"(1989) inszenierte ein spitzes, unterhaltsames und rundesMeisterwerk. Demnächst im Kino!

Wir sind wieder zurück, meine Damen und Herren, am Schauplatzdes Geiseldramas. Durch einen Zufall ergab sich die sensationelleMöglichkeit, zusammen mit unserem Reporterkollegen Max Brackettlive aus dem Gebäude den Fortgang einer dramatischen Ereignissezu verfolgen. Max hat Sam inzwischen überredt, ein exklusivesLiveinterview mit ihm zu führen. Sam glaubte, damit könneer sein Bild in der öffentlichen Meinung positiver darstellen.Und Max kreiert die alltäglich unerträgliche Situationeines Arbeitslosen, der seiner Frau nicht von der Entlassungerzählen konnte und sich jeden Morgen zum nicht mehr vorhandenenArbeitsplatz aufmacht. Eine Weile funktionierte es, aber die Kollegendraußen auf der Straße, die Meute des TV-Terrors befragtebald die Eltern der gekidnapten Kinder und die Nachbarn von Sam. Dermeinte zwar aufbrausend, diese Nachbarn hätte er nie gesehen,doch die letzten Meinungsumfragen zeigen, daß die Sympathienfür Sam wieder fallen. Ob darauf auch die Scharfschützendes FBI warten, die auf den Gebäuden um uns herum Positionbezogen haben? Moment ich muß kurz mit der RegieRücksprache halten .... (Jetzt schieß doch noch mal, damitdie Meute draußen richtig unruhig wird!) Ich höre gerade,daß draußen mittlerweile Max Assistentin Lou zeigt, wassie bei ihm gelernt hat. Gefühllos effektiv hat sie mittlerweileein kaltes Gespür entwickelt, die beste Entscheidung zu treffen- für die Quote.

Sam befindet sich gerade auf der oberen Etage und schließtden Kindern einen Automaten mit Süßkram auf. Deshalb einekurze Beurteilung unseres Entführers: Er spielt mit seinenkleinen Freunden und irgendwie scheint er am wenigsten hierhinzugehören. Doch daß er immer irgendwelcheAufputschpillen schluckt, macht auch mich nervös. Wäreeigentlich alles anders gekommen, wenn nicht Max meinte, erhätte die "Best Show in Town", die beste Geschichte seinesLebens? Seiner Assistentin sagte der wieder quicklebendigeJournalist, sie müsse sich entscheiden, Teil der Story zu sein,oder die Story wiederzugeben. (Moment mal, sind Max und Sam nichtzwei gleiche Seiten einer Medaille und eines Wortes: Xam und Mas?)

Diese Wendungen und die wechselnden Einflüsse derMedienspieler im Hintergrund - so etwas könnte sich keinDrehbuch ausdenken. Wenn wir dies nicht mit eigenen Augen sehenwürden, könnte es nur eine zielgenau treffende Mediensatiresein. Wir hätten Ihnen gerne noch dramatischere Bilder gezeigt,wenn nicht weniger ältere Herren in den Sendern krampfhaftversuchten, uns so etwas wie "journalistische Ethik"aufzudrängen. Wir wissen nicht wie das Drama ausgehen wird,wieviele Nächte der erschöpfte Sam noch aushält und obsich Sam gegen die Chefetagen seiner Sendekette durchsetzen kann.Scheinbar hat der eingeflogene große TV-Star Kevin Hollander(Alan Alda) noch ein Hühnchen mit Max zu rupfen ...

Meine Damen und Herren, wir unterbrechen dieseLive-Übertragung und schalten in den Kinopalast, wo einanscheinend Geistesgestörter mit zwei Handgranaten dieVorstellung gesprengt hat. Er stoppte die Vorführung von"G.I.Jane" und fordert, Demi Moore solle sich ausziehen ...


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

realisiert durch

Ein Service von

arena internet service

FILMtabs-Logo