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Der menschliche Makel
USA 2003 (The Human Stain) Regie Robert Benton mit Anthony Hopkins, Nicole Kidman, Ed Harris 112 Min. FSK ab 12
Eine Roman von Philip Roth, inszeniert von Robert Benton ("Nobody's Fool"), gespielt von Anthony Hopkins und Nicole Kidman - auch wenn bei einer äußerst schwierigen Umsetzung nicht alles gelang, reichen diese Zutaten für einen cineastischen Augenschmaus.
Es beginnt mit einer dieser furchtbar alltäglichen Geschichten, wir nennen sie inflationär "Skandal": Coleman Silk (Anthony Hopkins), hoch verehrter Professor an einem College in New England, nennt zwei Studenten, die bisher seinen Literaturkurs geschwänzt haben, "spooks". Die wie üblich üble deutsche Synchronisierung macht daraus "dunkle Gestalten", der englische Begriff jedoch hat auch eine herabsetzende Bedeutung gegenüber Schwarzen und die bislang unsichtbaren Gestalten sind zufällig Afroamerikaner! Nun ist der 71-jährige Silk viel zu sehr Humanist und ein Meister der Worte, als das ihm so etwas auch nur zufällig entschlüpfen würde, doch trotzdem gilt er plötzlich als Rassist. Und wie es so mit Skandalen ist: Nachfragen oder -denken wird verboten, die Vorverurteilung der (Medien-) Hyänen ist gleichzeitig das Ende. Silk kündigt wütend, an der Aufregung stirbt seine Frau, der alte Mann zieht sich zurück.
Dies geschieht auf dem Höhepunkt der Lewinsky-Affäre. Dem Höhepunkt der heuchlerischen "political correctness"? Weshalb der Vorwurf des Rassismus so absurd und vielleicht doch so treffend sein mag, erschließt sich in einer ruhigen Szenenfolge aus den Gesprächen mit Silks neuen Freund Zuckermann (Gary Sinise), des Professors überraschender Affäre mit einer viel jüngeren Frau (kaum wieder zuerkennen: Nicole Kidman) und Rückblenden zu seiner Jugend in den 50ern. Jede dieser Schichten eines Lebens, eines guten, breiten Romans packt - vor allem mit der Präsenz eines sehr selbstbewussten und kompromisslosen Mannes, gespielt von Anthony Hopkins.
Dieser Film und seine Hauptfigur haben ein großes Geheimnis (und wer es sich erhalten will, sollte hier aufhören zu lesen). Darin liegt ein großes Problem für den Übergang von Fantasiebildern beim Lesen von Philip Roths exzellentem Roman zu den ganz konkreten Festlegungen, die ein Film machen muss. Es gibt schauspielerische Herausforderungen, bei denen sogar Anthony Hopkins an seine Grenzen kommt: Denn Silk hat als junger Mann seine helle Haut und eine günstige Gelegenheit genutzt, um sich ganz individuell von der Kategorie "Rasse" zu lösen. Bei der Meldung zum Militär kreuzte er einfach "weiß" an und musste sich danach nur noch für immer von Mutter und Geschwistern trennen, um seinen Lebensweg ohne die vielen rassistischen Verletzungen gehen zu können.
So klagt der nur gedämpft durchscheinende Zynismus Philip Roths nicht allein die moralische Dummheit einer bevormundenden Gesellschaft an, er führt auch einen äußerst tragischen Menschen vor, der gleichzeitig Täter und sein eigenes Opfer ist.
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