Lust auf Anderes

Fr 2000 (Le gout des autres) Regie Agnès Jaoui, 122 Min.

Ein Erfolgsfilm in Frankreich, eine Wortkomödie und damit wieder ein großes Problem für die Übertragung. Wie beim "Dinner für Spinner" wird es auch für "Lust auf Anderes" schwer sein, gleiche Begeisterung jenseits der Sprachgrenzen hervorzurufen. Es ist halt: Der Geschmack der Anderen, wie der Originaltitel meint ...

Die Veränderung ist der große Spaß bei diesem Film, dieser französischen Variante von "American Beauty": Im Ensemble der unterschiedlichen Figuren fällt vor allem der Unternehmer Castella (Jean-Pierre Bacri) auf: Reich, ohne Bildung und Kultur quält er sich durch eine Theatervorstellung von Racines Berenice - ausgerechnet in Versen! Bis er der älteren Darstellerin verfällt, die nun seine Englischlehrerin wird und sich nur mühsam der immer aufdringlicheren Liebesbeweise erwehren kann. Dieser Zusammenprall von Kultur und Nicht-Kultur amüsiert mehr und mehr, als sich Castella in die Theaterkreise wagt und dabei eine deppenhafte Kür durch Fettnäpfchen hinlegt. Ibsen und Strindbergs lustige Stücke werden ihm weisgemacht, die unübersehbaren sexuellen Vorlieben seiner neuen Bekannten bekommt er trotzdem nicht mit. Wohl wegen des Schnurrbarts, der irgendwann aber runterkommt ...

Mit diesem Eindringen in andere Sphären kommen auch andere Menschen zusammen: Der Bodyguard und der Chauffeur der Castellas gehen schnell mit der gleichen Kellnerin ins Bett, die allerdings gerne mehr möchte. Castellas Frau überzieht derweil die arme Verwandtschaft mit ihrem zwanghaften Ausstattungswahn in Form von Rosentapeten, -Vorhängen und -Kissen.

Das ist komisch, aber auch schrecklich. Während wir uns über diese facettenreich karikierten Typen amüsieren, wandeln sie sich jedoch zu Menschen, die auch überraschen können. Die Regisseurin Agnès Jaoui ist selber wieder als Schauspielerin zu sehen, als freisinnige Kellnerin, die zwischendurch auch ein paar sanfte Drogen verkauft. "Lust auf Anderes" ist ihr lang erwartetes Regiedebüt, nach vielen Rollen und nach der Ko-Autorenschaft bei Resnais "Smoking/No Smoking" und "On connait la chanson" sowie Klepischs "Un air de famille". Schauspiel und Dialoge dieser Gesellschaftskomödie mit typisch französischen Element sind dabei wichtiger als die technische Inszenierung. So was gibt es bei uns nicht, dass der Wirtschaftsspezialist beleidigt kündigt, weil er sich in seiner Elitebildung und Sprache vom groben Unternehmenschef Castella diskriminiert fühlt. Er ist ein Problem und eine Chance, der Geschmack der anderen ...


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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