Long Walk Home

Australien 2002 (Rabbit-Proof Fence) Regie Phillip Noyce, 94 Min. FSK ab 6

Bis 1970 befand ein australisches Gesetz, den Aborigines genannten Ureinwohnern muss geholfen werden - wie brutal das geschah, lässt der Film miterleben: Mit bürokratischer Akribie wurden Mischlingskinder von ihren Aborigines-Eltern entführt und in rassische Waisenheime gesteckt. Man wollte, dass durch Menschenzucht das "weiße Gen" wieder die Oberhand gewinnt. So wird auch das "Halbblut" Molly 1931 mit ihrer Schwester von der Mutter weggerissen und in ein 1500 Meilen entferntes Kindergefängnis gesteckt. Hier erfolgt eine grausame christliche Missionierung und die Mädchen werden gezwungen, Englisch zu sprechen.

Molly, ein stilles, aber entschlossenes Mädchen, fasst bald den Entschluss, zu fliehen. Das ist zwar dank des Aborigines-Fährtenlesers Tracker noch niemandem gelungen, doch Molly beherrscht das Fährtenlesen selbst meisterlich und kurz vor einem großen Regen haut sie mit ihrer Schwester Daisy und der Nichte Gracie während des Gottesdienst ab. Tracker ist ihr bald auf den Fersen, doch immer wieder legt sie den Verfolger rein. Von freundlichen Weißen und Aborigines erhalten die Kinder Essen und Kleider, bald kennt jeder ihre Geschichte. Mit Medien und Mundpropaganda werden sie beeinflusst. Irgendwann stößt Molly auf den Kaninchen-Zaun, den noch ihr Vater quer durchs Land gespannt hat und der auch an ihrem Heimatdorf vorbei führt. Aber auf dem Weg dorthin liegt eine Wüste und auch Tracker wartet an diesem Zaun ...

Grandiose Aufnahmen der Mädchen in endlosen Weiten des australischen Binnenlandes, mystische Momente der uralten Aborigines-Kultur und die ebenso bewegende wie rührende Geschichte machen "Long Walk Home" zu einem ganz seltenen und besonderen Kinoerlebnis. Immer wieder sorgt die bekannte Ethno-Musik von Peter Gabriel für Atmosphäre und Spannung. Mit Weitwinkel-Aufnahmen macht die Kamera den gespenstigen Eindruck der weißen Missions-Welt auf Molly nachvollziehbar. Kenneth Branagh gibt dem obersten Vormund aller Mischlingskinder Australiens A.O Neville eine schauerliche Eichmann-Kälte. In den Gesichtszügen von Tracker spielt sich ein eigenes Drama ab, denn auch er will nach Hause, aber seine Tochter wird im gleichen Lager fest gehalten.

Die wahre Geschichte Mollys im Film - nach dem Roman von Mollys Tochter - ist erschütternd, doch während dieser nach neun Wochen Wanderung halbwegs happy endet, erzählt der Nachspann, dass Molly später noch einmal mit ihren zwei Töchtern verschleppt wurde und wieder den Weg von 1500 Meilen zurück floh. Ihr jüngstes Kind hat sie nach einer weiteren Entführung nie mehr gesehen. A.O Neville blieb noch 25 Jahre Leiter dieses Amts. Die Entführungen der "Gestohlenen Generation" gingen bis 1970 weiter!

Auch der australische Regisseur Phillip Noyce kehrt mit "Long Walk Home" heim. Auf einem Boot voller Hochspannung, "Todesstille" und Nicole Kidman schiffte er sich einst von Australien nach Hollywood ein, landete mit "Die Stunde der Patrioten" oder "Das Kartell" zunehmend in der Action-Schublade und begeistert nun mit einer packenden und engagierten Heimatgeschichte.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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