Lone Star

USA 1996 (Lone Star) Buch, Regie und Schnitt John Sayles, 137 Min.

"Lone Star" ist ein sehr außergewöhnlicher underfreulich anspruchsvoller Film. Allein die Tatsache, daß es sogut wie keine Tempoerhöhung gibt, läßt den Stil von"Lone Star" erahnen. Mit festem Rhythmus schreitet Sayles Grenzen ab:

Leitfaden ist die Generationenfolge von drei Sheriffs: Demkorrupten Killer, Rassisten und Sadisten Charly Wade (KrisKristofferson) folgte der noch heute bei allen beliebte Buddy Deeds(Matthew McConaughey). Als dessen Sohn Sam Deeds (Chris Cooper) inder Wüste ein Gerippe mit Sheriffstern findet, könnte dergrinsende Totenschädel das großartige Bild desverstorbenen ehrenwerten Sheriffs Buddy Deeds beflecken. Denn in derNacht, als Charly Wade zum letzten Male gesehen wurde, drohte ihmsein damaliger Gehilfe Buddy mit deutlichen Worten. Nun verfolgt dernicht besonders geachtete "Junior" die Ermittlung mitpersönlichem Einsatz, da er immer unter dem angeblich soperfekten Vater Mr. Deeds litt.

So wie die Geschichte von Buddy und Sam nicht der einzigeVater-Sohn-Konflikt ist, gibt es auch noch einige historischeStreitpunkte. Die Eltern diskutieren mit den Lehrern über dieWahrheit von Alamo: Der Staat Texas war immer ein äußerstumstrittenes Territorium zwischen den Mexikanern, den Indianern undden englischen Siedlern. 1836 erkämpften sich letztere dieUnabhängigkeit - symbolisiert durch die Schlacht um Alamo - undhißten ihre Flagge mit dem einen Stern, den Lone Star. 1845erfolgte der Anschluß als 28. Staat der USA und ein weitererKrieg bis die heutigen Grenzen feststanden. Doch an den Grenzenzwischen den Bevölkerungsgruppen ging der Krieg weiter und nochheute ist der Rio Grande, die Grenze zu Mexiko, täglich Ortbewegender Schicksale. Auch im Film-Dörfchen im Süden vonTexas stammt die Mehrzahl der Einwohner mittlerweile von Mexikanernab. Die Bleichgesichter arrangieren sich in der Unterzahl. Nochstellen sie den Bürgermeister, doch der nächste Sheriffwird wohl ein "Mexikaner" sein. Dann gibt es auch ein paar Schwarzeund Menschen mit indianischen Wurzeln. Doch "Lone Star" wird auchzeigen, daß Grenzen nicht so einfach zu ziehen sind.

Sehr elegant gleitet die Kamera Sayles von der Gegenwart in dieVergangenheit und wieder zurück. Die ungemein dichte Strukturverwebt Geschichte, Beziehungen, Abläufe, Personen und Familien.Der Sohn des einzigen schwarzen Barbesitzers kehrt als Chef desArmy-Stützpunktes in die Heimat zurück. Doch er meldet sichnur dienstlich bei dem angeblich sorglosen Vater. Die ehrenwerteBürgerin und Restaurantchefin Mercedes duldet alsalteingesessene Einwanderin kein spanisches Wort mehr: "Wir sind inAmerika!" Flüchtlinge, die wie sie vor Jahrzehnten, überden Fluß kommen, meldet Mercedes sofort der Grenzpolizei.

"Lone Star" ist der zehnte Film von John Sayles - in fast 20Jahren! Einem größeren Publikum wurde der Amerikaner 1991mit "City of Hope" bekannt.Sehr ähnlich wie "Lone Star" legte er damals die Verflechtungeneiner Großstadt bloß. Dann folgte der ausgezeichnete,sehr ruhige "Passion Fish"(1992) und das irische Mythen-Märchen"Das Geheimnisdes Seehundbabys" (1994).

Selten setzt der eigenständige Autor John Sayles expressiveBilder in "Lone Star" ein, doch sein Film ist satt gefüllt mitErfahrungen und spannenden Verflechtungen. Das breite Spektrum anGeschichten erzählt in nur einer Episode auch, warum jungeschwarze Frauen in die Army gehen. In seinen besten Momenten ist"Lone Star" so glaubwürdig und stark wie gute Dokumentarfilme.(Das ist ein Lob - nur als Hinweis für diejenigen, die keineguten Dokumentationen schätzen.) Zum Ende der trägen,satten Entwicklung wartet "Lone Star" noch mit einer dicken,nachhaltigen Überraschung auf.

Wenn Pilar Cruz (Elisabeth Pena) im heruntergekommenen Autokinoallerdings sagt, "Was interessiert uns Alamo", dann bricht das mitallem, was der Film vorher so einprägsam vermittelte. Ein Grundmehr zum Nachdenken!


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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