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Lola und Bilidikid

BRD 1999 (Lola und Bilidikid) Regie Kutlug Ataman, 91 Min.

Der Eröffnungsfilm des Berlinale-Panoramas von 1999 beginnt und endet mit der Siegessäule, die durchaus stämmig und zweideutig zu verstehen ist (so heißt ein Berliner Schwulenmagazin Siegessäule). Im Tierpark drumherum gibt es den Schwulenstrich und durch dessen nächtliche Dunkelheit tastet sich der junge Murat. Er ist wohl schwul, traut sich aber nicht so richtig. Kein Wunder bei dem brutalen, lauten und extrem heterosexuell agierenden Bruder Osman (Hasan Ali Mete, der neuen Arzt aus der Lindenstraße). Gleichzeitig fliegen Lola und Bili aus einer Schwulenbar. Die Transvestitenshow von Lola und seinen/ihren "Gastarbeiterinnen" war gar nicht so schlecht. Doch Bili (Erdal Yildiz, "Aprilkinder") wollt zwischendurch auf dem Klo etwas Geld und Spaß haben, was für mächtig Ärger sorgte. Klar, daß Lola (Gandi Mukli) nicht glücklich ist über diese weitere Eskapade. Erst die Angriffe von ein paar dummen deutschen Jungs bringt das Paar wieder zusammen ins Bett.

"Schwule Türken - ja gibt es die?" wird wohl die meistgestellte Frage zum "Schweins-Fiction" "Lola und Bililidikid" sein. Ja, es gibt sie und sie haben die gleichen und noch ein paar andere Sorgen wie normale Schwule. In all diesen südlichen Ländern, wo die Männer besonders männlich sein wollen, passen Schwule oder gar Transvestiten nicht ins Straßenbild. Berlin, eine der größten türkischen Städte, ist auch in dieser Hinsicht ein Freiraum. Doch die soziale Kontrolle von Familie und Bekanntenkreis funktioniert auch hier. Auf grausame und brutale Weise, wie der Film zeigt.

Bilis Traum ist, mit Lola an der türkischen Küste "wie ein richtiges Paar" zusammenzuleben - nach Lolas Operation zur Frau! Der Lederjackentyp Bili will von seinen toughen Freunden nicht mit Lola gesehen werden. Und einer dieser "richtigen Männer" meint in Bezug auf Lola: Wegen dieser Typen kriegen wir Türken einen schlechten Ruf. Na ja ...

Daß Murat ausgerechnet mit den drei Ausländerhaßern in einer Klasse sitzt, erscheint als sehr großer Zufall. Dramatisch ist wiederum, daß er den blondesten der Schläger liebt. Und der wollte ja eigentlich auch, wären da nicht seine Freunde. Von mörderischer Schwulenangst, die eigentlich Angst vor sich selbst ist, erzählt der Film. Die wirkliche Tragik liegt in der Familie. Denn Lola ist eigentlich der verlorene Bruder von Murat. Und Murat sollte Ersatz für einen verstoßenen Sohn sein. Eine alte Geschichte, die beide noch einmal erleben müssen. Da hätte das aufgesetzt dramatische Finale mit seiner nur teilweise gelungenen Action nicht sein müssen. Da wirkt die Szene schlüssiger, in der von der furchtbarsten Konfrontation auf eine ganz alltägliche Kreuzberger Straßenszene übergeleitet wird. So nah und intensiv verbirgt sich das für viele undenkbare hinter den Wohnungstüren!

Zu den lebendigsten Szenen gehören die der Affäre des wild aussehenden Iskender mit Söhnchen Friedrich aus altem Wannsee-Adel. Vor allem Inge Keller als spitz snobistische Grand Dame hat grandiose Auftritte. Und ist eine der wenigen Figuren, die über ihren Schatten springen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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