L.A. Crash

USA 2004 (Crash) Regie: Paul Haggis mit Sandra Bullock, Don Cheadle, Matt Dillon 113 Min. FSK ab 12

Farbenlehre

Schwarz und weiß, gut und böse. Die meisten Filme machen es dem Publikum sehr einfach. Nicht so dieser grandios kluge und wichtige. Obwohl seine Farbenlehre alles über schwarz und weiß, gelb oder braun erzählt.

Da sind die beiden jungen, schwarzen Männer in einer reichen, schicken Straße von L.A., auf der hauptsächlich Weiße flanieren. Peter und Anthony (Larenz Tate und Rapper Chris "Ludacris" Bridges) diskutieren gerade erlebte Rassendiskriminierung. Ein komischer Dialog, denn der wütende Schwarze bestätigt jedes Klischee, über das er sich beschwert. Bis zu der Pistole, die er zieht, um die Luxus-Benzinschleuder des Bezirksstaatsanwalts Rick Cabot (Brendan Fraser) zu rauben. Vor allem dessen Frau Jean (Sandra Bullock) ist schockiert, hat neues Futter für all ihre Vorurteile, die sie herauskeift. Der Politiker Cabot denkt sofort an politische Folgen und dass er zum Ausgleich einen schwarzen Stadt-Angestellten irgendwie mit Medaillen dekorieren muss.

Schwierig, wenn vieles genau so passiert, wie man es "politisch korrekt" gar nicht mal denken darf. Noch schwieriger, wenn immer der erste und auch noch der zweite Eindruck täuschen. Ein Geflecht aus Details, Motiven, Zwängen liegt über diesen Menschen. Da ist der idealistische junge weiße Polizist Tom (Ryan Phillippe), der seinen rassistischen Partner Ryan (Matt Dillon) loswerden will, aber von seinem schwarzen Vorgesetzten nur verwirrende Antworten bekommt. Soll er den Rassismus bloßstellen, anzeigen? Oder verschweigen und mit einem Vorwand die Versetzung beantragen? Und ausgerechnet Ryan, der bei einer Verkehrskontrolle eine schwarze Frau brutal befummelt, wird diese Frau wieder sehen und wird zum Helden werden.

"L.A. Crash" bietet diesen Diskurs klug und treffend an, erzählt aber vor allem sehr ergreifend seine Geschichten. Etwa die von Ryan, der verzweifelt versucht, einen Arzt für seinen leidenden Vater zu finden. Oder vom kleinen Latino-Mädchen, das selbst nach dem Umzug in eine bessere Gegend noch Angst vor Kugeln hat. In einer rührenden Szene gibt ihr der Vater Daniel (Michael Pena) sein unsichtbares, magisches Schutztuch. Doch bald wird ein wütender Iraner mit Pistole vor dem Haus stehen, weil er nicht auf die Empfehlungen Daniels hörte, seine Ladentür auszutauschen, und bei einem Einbruch alles verliert. Dass Daniel, der gute Mann vom Schlüsseldienst, immer wieder aller möglichen Dinge verdächtigt wird, ist ein anderes Extrem dieser Farbenlehre.

Alles wird in "L.A. Crash" durch einen Autounfall mit einander in Verbindung gebracht, in der Stadt, in der die Menschen unbewusst mit dem Auto ineinander rasen, weil sie nur so die Distanz untereinander aufheben können. In einer Gesellschaft, die Probleme hat, überhaupt zu benennen, wer woher ist. Wie zum Trotz zeigen TV und Kino immer wieder Amerikas Lieblingsfilm, Capra's "It's a wonderful life".

Es gibt viele höhnische Pointen bei diesen dicht verwobenen, exzellent besetzten Geschichten. Das grandios kluge und bewegende Kaleidoskop eines ethnischen Schmelztiegels hat eine schwebende Atmosphäre, die an "Magnolia" erinnert, ein Song klingt nach Aimee Man und es gibt auch ein kleines Wunder. Das Meisterwerk lässt einem keine Wahl: Man muss vieles überdenken und will es sofort mit besonderer Spannung sowie neuen Erkenntnissen direkt wieder von vorne sehen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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