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Die Liebenden von Pont-Neuf
Fr 1991 (Les amants du Pont-Neuf) 125 Min.
Schon die Geschichte dieses Films stellt eine Sensation dar: Nachdem sich
die Aufnahmen mit der baufälligen Brücke Pont-Neuf (die älteste
in Paris) endlos hinzogen, verfiel die Drehgenehmigung. Bei Montpellier nachgebauten
Kulissen wurden von einem Sturm zerstört. Als auch der zweite Produzent
ausstieg, konnte nur der Einsatz von Frankreichs Kulturminister Jack Lang
einen Film retten, der schließlich den für europäische Verhältnisse
riesigen Betrag von 140 Millionen Franc verschlang. Die Handlung allein wäre
banal, auch ohne das Happy End, welches der Höhepunkt all der zu schönen
Momente ist. Als Alex (Denis Lavant), der junge Clochard nach einem alkoholischen
Delirium auf die Pont-Neuf zurückkehrt, findet er dort Michelle (Juliette
Binoche) und verliebt sich in die heruntergekommene Malerin. Genauer gesagt,
erforscht er den Hintergrund ihrer drohenden Blindheit, wartet die fortschreitende
Hilflosigkeit ab, um ihr dann zu beizustehen. In einer rasenden Jagd durch
Metrogänge schneidet der zerschundene Liebebedürftige das Opfer
seiner Zuneigung von alten Bindungen ab. Solange die erbärmlichen Umstände
Alex und Michelle zusammenhalten, erleben sie einen manchmal bedrückenden,
manchmal euphorischen Gefühlswahn. Carax zeigt eine heftige amour fou,
eine verrückte Liebe und auch die Kamera verrückt dabei dauernd
ihre Position. Wie der schlaflose Alex findet sie nie Ruhe, scheucht an Zäunen,
Pfeilern und Gerüsten vorbei. Die inszenatorische Hemmungslosigkeit
des jungen französischen Regisseurs macht "Die Liebenden" so packend.
So wie Alex Flammen in die Zuschauer spuckt, versprüht Carax seine optischen
und akustischen Sensationen. In zügelloser Montage schleudert er uns
selten gesehene Bilder von Lust und Erbärmlichkeit, von Rausch und bitterer
Ernüchterung entgegen. Dabei werden die brutal realistischen Dokumentaraufnahmen
des Notasyl-Elends später längst vergessen sein, wenn sich das
Leben der Clochards in einer nur im Film existierenden Schönheit zeigt.
Nachhaltig beeindruckend ist die private Ekstase von Alex und Michelle unter
dem Feuerwerk der Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution.
Schockend sind harte Schnitte auf paradierende Kampfflugzeuge, wobei der
Kontrast zwischen Elend und Verschwendung nur eine von vielen Ideen ist,
die "Die Liebenden" hervorrufen. Auch wenn Leo Carax dritter Film (nach "Boy
meets girl" und "Mauvais sang") reichlich Anlässe zu Kontroversen bietet,
ist er vor allem ein strotzendes Kinoerlebnis.
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