Ein kurzer Film über die Liebe

Polen 1988, Regie: Krzysztof Kieslowski, 90 Min.

Der im letzten Jahr verstorbene Regisseur Krzysztof Kieslowski realisierte nicht nur faszinierend schöne oder zynische kalte Meisterwerke, der Pole schaffte es auch überhaupt Filme zu machen. So sind die Drei Farben-Triologie und der Dekalog nicht nur reizvolle Gesamtwerke, sie zeigen auch geschickte Wege der Finanzierung auf. Die Basis für den Dekalog bilden die Zehn Gebote - Kieslowski war Pole und auf seine Weise gläubig. Auch wenn seine Filme von grausamen Zweifeln am Guten in der Welt bestimmt sind.

Der Hinweis auf ein bestimmtes Gebot durch die Nummern der Filme (Dekalog I-X) verwirrt eher als daß er aufklärt. Kieslowski und sein Drehbuchautor Piesiewicz stellen Fragen und in Frage. Die jeweils einstündigen Filme entstanden für mehrere Fernsehsender. Teil des Deals war die Produktion von zwei Spielfilmen für das Kino:

Ein kurzer Film über das Töten

Ein junger Mann, ein Taxifahrer und ein frisch examinierter Jurist; sie leben im Warschau des Jahres 1987, ihre Wege kreuzen sich - zunächst zufällig und vorübergehend. Der Junge irrt ziellos durch die Stadt, sieht den Taxifahrer vor einer Imbißbude, sitzt in einer Bar, in der sich auch der Anwalt befindet, verläßt sie und steigt in ein Taxi. Der Fahrer ist ein Ekel. Er ließ vorher ein Paar in der Kälte stehen und mißhandelte einen Hund. Da er Betrunkene nicht in seinem frisch gewaschenen Wagen mitnehmen will, ist sein nächster Fahrgast der junge Mann. Dieser bringt ihn vor der Stadt um, wird gefaßt, verurteilt und hingerichtet.

"Ein kurzer Film über das Töten" macht das Töten schwer, den Mördern, den Opfern und auch den ZuschauerInnen. Wenn der Junge fast drei Minuten versucht, einen Menschen umzubringen, geht das Entsetzen von seinem Gesicht sicher auf das Publikum über. Nicht verwunderlich, wenn Kieslowski von sensiblen Menschen erwartet, bei dieser Szene das Kino zu verlassen. Falls Film keine Lüge sein will, kann Morden nicht im Rahmen eines ästhetischen Vergnügens genossen werden. Deshalb werden durch Filter die Bilder schmutzig und fast beschädigt gestaltet. Ein gelungener Versuch des Regisseurs, seine skeptische Sicht auf eine dreckige und brutale Realität in den Film zu übertragen.

"Ein kurzer Film über die Liebe"Tomek (hervorragend: Olaf Lubaszenko) sitzt wie die Kinozuschauer in einem dunklen Raum. Seine Leinwand ist ein "Fenster zum Hof" des Hochhausblockes. Sobald abends der Wecker klingelt, entfernt Tomek das Tuch vom sakral verhüllten Fernrohr. Jetzt kommt Magda (Grazyna Szapolowska) nach Hause, an deren Leben er heimlich teilhat. Kieslowski bezieht sich zwar auf Elemente berühmter Filme des Voyeur-Themas, doch "Peeping Tom(ek)" versetzt Magda nicht in die genreübliche Panik. Die selbstbewußte Frau sucht den Kontakt ohne Angst. Dem polnischen Regisseur geht es um die Schwierigkeiten, miteinander in Beziehung zu treten, wobei sein ruhiger, eindringlicher Stil schnell fasziniert. Im Vergleich zu "Ein kurzer Film über das Töten" fallen poetische Szenen auf. Kieslowskis Ökonomie erzeugt faszinierende Menschen und Beziehungen ohne hektische Wechsel der Bilder.

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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